Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Ali Pascha, Çorlulu

Ali Pascha, Çorlulu, osmanischer Großwesir 1706-1710, * auf der Morea um 1670, † auf Lesbos 26.12.1711, Sohn eines Bauern.

Leben

Ein Höfling verpflanzte den intelligenten, gutaussehenden A. aus einem Barbierladen zu Çorlu (Thrakien) in den Serail, wo er unter Mustafa II. 1701 die Vertrauensstellung des Silâhdars erreichte. Organisationstalent und ein waches Gespür für die eigene Stellung kennzeichnen ihn schon hier: Er führte eine Neuordnung der Serailämter durch, bei der der Silâhdar auf Kosten der Eunuchen - der Konkurrenten im täglichen Umgang mit dem Sultan - eine Kompetenzerweiterung erfuhr, die ihn zum ersten Mann im Serail und zu einem Machtfaktor im Reich machte, was den Großwesir, mehr noch aber den fast allmächtigen Schejch ül-Islam Seyyid Feyzullah herausfordern mußte. Der Anmarsch der Aufständischen im Revolutionsjahr 1703 lieferte den Vorwand, ihn mit einer Rangerhöhung zum Wesir aus der Sultansnähe zu entfernen. A. hatte indes seinen Einfluß so verankert, daß derlei Intrigen ihm ebensowenig anhaben konnten wie der Thronwechsel: auch Ahmeds III. Vertrauen konnte er sich in einem Maße sichern, daß alle Versuche, seinen Einfluß einzudämmen, letztlich scheiterten. Da keiner gegen seinen Willen regieren konnte und seine Tüchtigkeit außer Frage stand, wurde er - seit 1703 Kuppelwesir - schließlich folgerichtig am 3. Mai 1706 selbst zum Großwesir ernannt.
Es war ihm bewußt, daß das Reich nach den Erschütterungen des Krieges und nach den Verlusten des Friedens von Karlowitz (1699) vor allem der inneren Konsolidierung bedurfte. Seine Politik zielte daher auf Ordnung der Finanzen, Reorganisation der Armee und die Verbesserung der Rüstung von Heer und Flotte. Die Reform und seine persönliche Stellung wollte er durch keinerlei vorzeitige Kriegsteilnahme gefährden, mochten auch, wie seine Gegner ihm vorwarfen, der spanische Erbfolgekrieg und der schwedisch-russische Krieg aussichtsreiche Voraussetzungen sein. Die ungeschickte Behandlung des schwedisch-russischen Problems vor und beim türkischen Exil Karls XII. besiegelte seinen Sturz (15.06.1710), auf den eine Gruppe um den Silâhdar Ali hingearbeitet hatte. In der Verbannung auf Lesbos suchte ihn 18 Monate später der Henker auf.

Literatur

Hammer: Bd 7.
Râšid, Meḥmed: Ta’rîḫ. Bd 3. Istanbul 1865.
Ţayyârzâde 'Aţâ: Ta’rîḫ. Bd 1. Istanbul 1875.
Kurat, Akdes Nimet: Isveç Kıralı XII Karl’ın Türkiyede Kalışı ve bu Siralarda Osmanlı Imparatorluğu. Bd 1. Istanbul 1943.
Silâhdar Fındıklılı Mehmet Ağa: Nusretnâme. Bd 2. Istanbul 1969.

Verfasser

Hans Georg Majer (GND: 129740098)

GND: 1028868421

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd1028868421.html


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Empfohlene Zitierweise: Hans Georg Majer, Ali Pascha, Çorlulu, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 55-56 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=437, abgerufen am: (Abrufdatum)

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