Hammer-Purgstall, Josef Freiherr von, österreichischer Orientalist, *Graz 9.06.1774, † Wien 23.11.1856, Sohn eines steirischen Gubernialrates.
Leben
Nach dem Schulbesuch in Graz und der Absolvierung eines Präparandenkurses wurde H. 1789 in die Orientalische Akademie in Wien aufgenommen und trat 1797 in den Staatsdienst ein. 1799 wurde er als Sprachknabe (Dolmetschgehilfe) nach Istanbul entsandt. Anstelle einer geplanten Reise nach Persien fuhr er nach Ägypten zur Inspektion der kaiserlichen Konsulate und war gleichzeitig Dolmetscher des britischen Flottenkommandanten Sir Sidney Smith. Als solcher beteiligte sich H. an dem britischen Feldzug in Ägypten und blieb seitdem seinen englischen Freunden und ihrer Lebensart eng verbunden. Im folgenden Jahr kehrte er über England nach Wien zurück und wurde sofort als Legationssekretär von neuem nach Istanbul geschickt. Infolge von Differenzen mit seinem dortigen Vorgesetzten, dem österreichischen Internuntius Ignaz Lorenz Freiherr von Stürmer, 1806 noch zum Agenten (Generalkonsul) in der Moldau ernannt, verließ H. 1807 das Osmanische Reich für immer und wandte sich in wachsendem Maße seinen Studien zu. 1809-1810 weilte er in Paris, um vor allem die Rückgabe der kurz zuvor aus Wien verschleppten orientalischen Handschriften zu erreichen. 1811 wurde er nach mancherlei Hindernissen zum Hofdolmetsch ernannt. 1815 trat er in die Staatskanzlei ein und wurde 1817 Hofrat. Seine Ernennung zum Leiter eines geplanten und dann nicht geschaffenen statistischen Büros führte ihn 1821 zu einer Reise nach Dresden und Berlin. 1825 wurde er in den Ritterstand erhoben, 1835 auch in den Freiherrnstand im Zusammenhang mit seiner Einsetzung als Universalerbe der Gräfin Johanna Anna Purgstall.
Von 1836 an bemühte sich H., zunächst lange ohne Erfolg, um die Gründung einer österreichischen Akademie der Wissenschaften und verlor infolge jahrelanger Differenzen mit Fürst Clemens Metternich 1839 seine Stellung als Hofdolmetsch, die er freilich nur gelegentlich ausgeübt hatte. 1844 trug man ihm den Vorsitz der neuzugründenden „Deutschen Morgenländischen Gesellschaft“ an, um deren Sitz in Wien er sich vergeblich einsetzte. Erst 1847 erfolgte die Gründung der k. k. Akademie der Wissenschaften; er wurde ihr erster Präsident und kämpfte vor allem um die Zensurfreiheit. 1849 trat er zurück, blieb der Akademie aber bis zu seinem Tode verbunden.
Trotz seiner vielseitigen Interessen und Fähigkeiten - neben Nachdichtungen hat er sich auch an eigenen Gedichten und Schauspielen versucht - und einer Fülle verschiedenartiger Veröffentlichungen war er vor allem Historiker. Seine „Geschichte des osmanischen Reiches“ (bis 1774), „Geschichte der osmanischen Dichtkunst", „Die Staatsverfassung und Staatsverwaltung des osmanischen Reiches“ und „Constantinopolis und der Bosporus“ haben trotz Überholtheit im einzelnen bleibende Geltung. Er war der Bahnbrecher für die moderne Orientalistik im allgemeinen und die Osmanistik im besonderen.
H.s „Erinnerungen aus meinem Leben, 1774-1852“ wurden 1940 in den „Fontes rerum Austriacarum“ von Reinhart Bachofen von Echt herausgegeben.
Literatur
Seif, Theodor: Josef Freiherr von Hammer-Purgstall zum 80. Todestag. In: Wiener Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Asiens 11 (1937) 3-6.
Holter, Kurt: Die Hammer-Purgstall-Gedächtnisausstellung in der Nationalbibliothek. In: ebd. 11 (1937) 7-10.
Meister, Richard: Hammer-Purgstalls Verdienste um die Gründung der Akademie der Wissenschaften. In: Festschrift Klosterneuburger Kulturtage 1958. Klosterneuburg [1958], 21-27.
Babinger, Franz: Joseph v. Hammers Verdienste um die morgenländischen Studien. In: ebd. 28-32.
Ludwig, V. O.: Joseph v. Hammer-Purgstalls Beziehungen zu Weidling und Klosterneuburg. In: ebd. 33-36.
Ders.: Das Hammer-Purgstall-Denkmal auf dem Weidlinger Friedhof. In: ebd. 37-41.
Reichl, Sepp: Hammer-Purgstall. Auf den romantischen Pfaden eines österreichischen Orientforschers. Graz, Wien 1973.
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