Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Haulik de Várallya, Juraj
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Haulik de Várallya, Juraj

Haulik de Várallya, Juraj, Erzbischof von Zagreb und Kardinal, * Tyrnau (Trnava, Komitat Preßburg) 20.04.1788, † Zagreb 11.05.1869.

Leben

Als Sohn eines Wirtschaftsbeamten slowakischer Nationalität wurde H. nach dem Studium der Philosophie und Theologie in Tyrnau, Gran und Wien (Pazmaneum) 1820 zum Sekretär und Primatialnotar des ungarischen Fürstprimas Rudnay ernannt, 1825 in das Domkapitel von Gran aufgenommen, 1830 Statthaltereirat und Titularbischof, 1831 Hofrat an der ungarischen Hofkanzlei, 1832 Großpropst von Zagreb; es folgte 1837 seine Ernennung zum Bischof von Zagreb, als der er 1838-1842 und 1844-1848 mit der Vertretung des Banus (Banalis Locumtenens) betraut war. In diesem Amt spielte H. eine entscheidende Rolle im politischen Leben Kroatiens, indem er aus persönlicher Überzeugung heraus die junge illyrische Bewegung mit allen Mitteln förderte, gegen die Angriffe der ungarischen Partei am Wiener Hofe verteidigte und damit den Aufschwung und Sieg des Illyrismus, der kroatischen Volkspartei und die Nationalisierung des kulturellen und politischen Lebens Kroatiens ermöglichte.
Schon früh vermittelte H. zwischen Wien und Zagreb, zwischen dem habsburgischen Gesamtstaatsgedanken und dem aufstrebenden, um Emanzipation bemühten kroatischen Nationalismus, als er bereits ab 1833 die Bestrebungen von Ljudevit Gaj um den Druck und die Herausgabe der ersten kroatischen Volkszeitung, „Novine Horvatzke“, unterstützte. H. wirkte, als Führer der stark ungarnfeindlich gesinnten kroatischen Geistlichkeit in seinem Bistum, im Zagreber Banalrat und Sabor, in der Magnatentafel des ungarischen Landtages mit allem Nachdruck gegen dessen nationalliberalen Reformkurs. Im Jahre 1840 trat H. im kroatischen Sabor mit dem Vorschlag hervor, die kroatische Sprache an allen höheren Schulen und Akademien als Unterrichtsfach einzuführen; 1847 hat H. mit seinem Einfluß auf den Wiener Hof dazu beigetragen, daß die ungarischen Sprachgesetze des Landtages keine kaiserliche Sanktion erhielten, nachdem es ihm bereits gelungen war, die ab 1840 wiederholt unternommenen Versuche um eine Einführung der ungarischen Sprache in Kroatien-Slawonien zu verhindern. 1847 proklamierte er im Sabor den historischen Entschluß, die kroatische Volkssprache in allen Lebensbereichen des Königreiches einzuführen. Wiederholt hat sich H. im ungarischen Landtag für die Respektierung der kroatischen Autonomie und der Munizipalrechte des dreieinigen Königreiches eingesetzt. So vereitelte er auch Bestrebungen zur Abtrennung Slawoniens von Kroatien und seine Einverleibung als ungarische Provinz.
Die heftigen politischen Kämpfe der 40er Jahre, die sich in Zagreb selbst zu einem mitunter blutigen Machtkampf zwischen den ungarnfreundlichen Kräften und der Volkspartei zuspitzten, der H. durch verschiedene Manipulationen zum Siege verhalf, diese Auseinandersetzungen führten bei H. zu der erstmals in einem Brief an den Kaiser 1845 ausgesprochenen Überzeugung, daß der politische Weg Kroatiens in eine unmittelbare Verbindung Kroatiens mit der Krone münden müsse, in bleibendem Antagonismus zu Ungarn. In Verbindung mit seiner, dem Liberalismus in gleicher Weise wie dem Panslawismus gänzlich abgeneigten, konservativ-legitimistischen Grundanschauung mag dies dazu beigetragen haben, daß er zu den revolutionären Ereignissen des März 1848 und der darauffolgenden Monate Distanz hielt und sie meist fern von Zagreb am Wiener Hof verbrachte, an dem er die Ernennung von Jelačić zum Banus befürwortete, wofür das beiden gemeinsame Ziel - Erhaltung der Habsburgermonarchie als Garant der historischen Rechte Kroatiens - den Ausschlag gab.
Seine aus tiefer Enttäuschung über verschiedene vorgebrachte Forderungen (so um Abschaffung des Zölibats) resultierende passive Haltung zu der 48er Bewegung seiner zweiten Heimat Kroatien, die, je heftiger sich die Auseinandersetzung mit Ungarn gestaltete, sich noch verstärkte, hat mit dazu beigetragen, daß sich eine Richtung der Volkspartei um Gaj und Brlić darum bemühte, Strossmayer an Stelle von H. mit der Führung des Zagreber Bistums zu betrauen, ein Plan, dem H. selbst anfangs nicht ganz abgeneigt war. Seine Rückkehr nach Zagreb am 14. Juni 1848, erst Tage nach der Eröffnung des Sabors und der Installation des Banus Jelačić, hat diesen Plan endgültig zunichte gemacht, doch hat sich H. seit dieser Zeit beinahe ausschließlich mit kirchlichen Angelegenheiten, 1848/49 speziell mit der Reorganisierung seines Bistums beschäftigt, das finanziell durch den Bannspruch Kossuths gegen H. und durch die Konfiskation seiner in Ungarn gelegenen Güter in arge Bedrängnis gekommen war.
In den Jahren des Neo-Absolutismus widmete sich H. vor allem dem Ausbau des kroatischen Schulwesens, dem er bereits ab 1840/41 mit der Gründung von mehreren Volksschulen und Lehr- und Bildungsanstalten in den Händen kirchlicher Orden größere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Besondere Erwähnung verdient hier seine maßgebliche Förderung von Kunst und Wissenschaft.
Im Jahre 1849 veranlaßte H. die Gründung der Zeitschrift „Katolički list“ als Sprachrohr des kroatischen Episkopates. Für seine konservative, „ultramontane“ Grundeinstellung versuchte H. auch mit den beiden 1859 anonym erschienenen Schriften „Zur italienischen Frage“ und „Österreich, der Konkordatenstaat“ zu werben. Die Regierung ließ ihn ihre Anerkennung mit seiner Erhebung zum Erzbischof (1853) und zum Kron-Kardinal (1856) zuteil werden.
In der Periode des Konstitutionalismus entwickelte sich H. zum Vertreter einer Politik, der auch viele alte Volksparteiler anhingen, und die einer zentralistischen Verfassungsordnung unter direkter Beteiligung Kroatiens am Wiener Parlament den Vorzug gab und diese Lösung mit einer weitgehenden Unabhängigkeit Kroatiens im Rahmen seiner Realunion mit Österreich in Übereinstimmung zu bringen suchte. So trat H. 1861 im Sabor für die Beschickung des Reichsrates durch Abgeordnete Kroatiens ein; die Auseinandersetzung um diese Frage verschärfte eine heftige Zeitungspolemik H.s mit seinem Suffraganen Strossmayer. 1863 bildete sich in Vertretung dieses Standpunktes die „Selbständige Nationalpartei“ (Samostalna narodna stranka) unter der Führung von H., Kukuljević und Mažuranić. Im entscheidenden Jahr 1867 mußte H. sein bis dahin ununterbrochen von ihm eingenommenes Amt des Banus-Stellvertreters an den Führer der Unionisten, Levin Rauch, abtreten. Seiner unbedingten Treue zum Herrscherhaus gewiß, richtete Kaiser Franz Joseph im selben Jahr an H. die Aufforderung, sich für die dualistische Lösung einzusetzen, der H. mit mehreren Hirtenbriefen nachkam. An dem 1868 zustande gekommenen ungarisch-kroatischen Ausgleich kritisierte H. mit Weitblick vor allem den für Kroatien ungünstigen finanziellen Aspekt. Aber sein politischer Einfluß, auch unter den in Opposition zu ihm stehenden, dem Liberalismus zugeneigten niederen Klerus, der der glänzenden Beredsamkeit Strossmayers ganz erlegen war, hat sich in den letzten Jahren vor seinem Tod immer mehr verringert.

Literatur

Miskolczy, Gyula: A horvát kérdés története és irományai a rendi állam korában. Budapest 1927/28.
Deželić, V.: Kardinal Haulik, nadbiskup Zagrebački 1788-1869. Zagreb 1929.
Krestić, Vasilije: Hrvatsko-ugarska nagodba 1868 godine. Beograd 1969.

Verfasser

Gerhard Seewann (GND: 1069961280)

GND: 117504246

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd117504246.html


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Empfohlene Zitierweise: Gerhard Seewann, Haulik de Várallya, Juraj, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 128-130 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=938, abgerufen am: (Abrufdatum)

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