Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Hüseyin Hezarfen

Hüseyin Hezarfen (Hüseyn Hezärfenn), osmanischer Gelehrter, * auf Kos (Istanköy) (?) um 1611/12, † Istanbul (?) 1691/92, Sohn eines gewissen Cafer. Sein Beiname „Hezarfen“ (der Tausendkünstler) weist auf besonders vielseitige Begabungen hin.

Leben

Nach Beendigung seiner Studien in Istanbul war H. zeitweilig im Staatsdienst tätig, möglicherweise als Beamter der Finanzverwaltung. Später soll er sich privaten Studien und der Lehrtätigkeit gewidmet haben. 1669 nahm er an der Eroberung Kandias teil und hat wohl auch andere Kämpfe an der europäischen Front miterlebt. Zu seinen Gönnern zählten Sultan Mehmed IV. und dessen Großwesir Köpriilü Fazd Ahmed Pascha. Sein besonderes Interesse für fremde Länder und Kulturen sowie seine kritische Einstellung zum osmanischen Staat seiner Zeit weisen den Einfluß des großen Gelehrten Kâtib Çelebi auf, mit dem er offenbar befreundet gewesen war. Bemerkenswert sind H.s zahlreiche Kontakte zu Mitgliedern der europäischen diplomatischen Vertretungen am Sultanshof in den Jahren von 1673 bis ca. 1686, wie den französischen Botschaftern Charles de Nointel, Gabriel de Guilleragues und Pierre Girardin, dem späteren Orientalisten Antoine Galland, dem Botschaftssekretär La Croix ,  Luigi Ferdinando Marsili und vermutlich auch dem venezianischen Bailo Giovanni Battista Donado.  H.s Hauptwerke sind: 1. „Tenqih et-tevärih“, ein Kompendium der Weltgeschichte. Es enthält unter anderem ein auf lateinischen und griechischen Originalquellen fußendes Kapitel über die vorislamische Geschichte Istanbuls, der er bereits sein kurz zuvor geschriebenes Werk „Ta’rih-i devlet-i rümlye ve Istanbul“ gewidmet hatte. Das Kapitel über die osmanische Geschichte endet mit einer Schilderung der Eroberung von Kamenec (1672). Das Werk gehört zu den türkischen Quellen Dimitrie Cantemirs in seiner „Historia incrementorum atque decrementorum aulae othomanicae“, geschr. 1715/16; (deutsche Ausgabe: Geschichte des Osmanischen Reiches. Hamburg 1745). 2. Telhls el-beyän fl qavänin-i äl-i ‘Osmän“, eine Übersicht über die osmanische Staatsordnung zur Zeit Mehmeds IV. Sie wurde von Marsili als Grundlage für den ersten Teil seines „Stato militare dell’imperio ottomanno“ (Amsterdam/La Haye 1732, Neudruck Graz 1972, s. dazu Bibliotheca orientalis 30 (1973) 492-494) verwendet. 3. Die früheste in Europa bekanntgewordene Schilderung der Belagerung Wiens 1683 aus osmanischer Sicht dürfte in seinem „Ta’ rlh-i sefer-i Bec“ vorliegen, von Marsili in der italienischen Übersetzung des kaiserlichen Hofdolmetschers Michael Talman als „Brieve storia in cui si narrano le cagioni della passata guerra fra lo imperadore e la casa ottomana, e ciocche nell’ assedio di Vienna per alcun tempo da poi a Turchi avenne, composta da uno storico turco .. .“ (Bologna 1709) herausgegeben. Es ist nicht ausgeschlossen, daß H., auf den sich auch La Croix in seinen „Guerres des Turcs avec la Pologne, la Moscovie et la Hongrie" (La Haye 1689) beruft, dieses denkwürdige Ereignis als Augenzeuge miterlebt hat.

Literatur

Babinger, Franz: Die Geschichtsschreiber der Osmanen und ihre Werke. Leipzig 1937, 228-231.
Ménage, V. L.: Ḥusayn Hezārfenn. In: The Encyclopedia of Islam. New edition. Bd 3. Leiden, London 1971, 623-624.
Wurm, Heidrun: Der osmanische Historiker Ḥüseyn b. Ğa’fer, genannt Hezārfenn, und die Istanbuler Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Freiburg 1971 (mit Bibliographie).

Verfasser

Heidrun Wurm (GND: 107817357)

GND: 124817750

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd124817750.html


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Empfohlene Zitierweise: Heidrun Wurm, Hüseyin Hezarfen, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 201 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=988, abgerufen am: (Abrufdatum)

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