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Kánya, Kálmán, ungarischer Staatsmann, * Ödenburg 7.11.1869, † Budapest 28.02.1945, aus einer bürgerlichen Familie.
Leben
K. begann seine diplomatische Laufbahn als österreichisch-ungarischer Vizekonsul in Istanbul im Jahre 1896 und wurde vier Jahre später Konsul in Moskau. 1904 nach Wien gerufen, diente er bis 1912 im Außenministerium; 1908 wurde er hier Leiter der Presseabteilung. Anschließend ging er als Gesandter nach Mexiko. Der Zusammenbruch der Monarchie beendete seine Laufbahn nicht; 1920-1925 war er Staatssekretär im ungarischen Außenministerium, wo er das diplomatische Korps organisierte. 1925 bis 1933 war er Gesandter in Berlin und vom 4. Februar 1933 bis zum 28. November 1938 Außenminister in den Kabinetten von Gyula Gömbös, Kálmán Darányi und Béla Imrédy. Er war Ungarns bekanntester, scharfsinnigster und erfahrenster Diplomat der Zeit zwischen den Weltkriegen. Als Konservativer und Nationalist betrieb K. die Revision des Friedensvertrages von Trianon und die Erhaltung der Souveränität Ungarns. Trotz der Bestrebung, die ungarische Außenpolitik auf die durch den Vertrag vom 25. Oktober 1936 zustande gekommenen Achse Berlin-Rom auszurichten, versuchte K. jedes Zugeständnis an das Deutsche Reich durch verstärkte Zusammenarbeit mit Österreich und Italien sowie durch Annäherung an Großbritannien, Frankreich und sogar die Kleine Entente auszugleichen. Eine Zusammenarbeit mit der Tschechoslowakei, die er um die Rückgewinnung ungarisch besiedelter Gebiete willen zerstört sehen wollte, lehnte er dagegen ab. Während Reichsverweser Horthy und Ministerpräsident Imrédy Deutschland besuchten, traf K. im August 1938 in Veldes (Bled) Vereinbarungen mit der Kleinen Entente über Ungarns Gleichberechtigung zur Wiederbewaffnung, den Verzicht auf Gewalt bei der Lösung territorialer Fragen und die Frage nationaler Minderheiten, letztere jedoch nur mit Jugoslawien und Rumänien, nicht aber mit der Tschechoslowakei. So gelang es K. nicht nur, dem Deutschen Reich gegenüber Unabhängigkeit zu zeigen, sondern auch, die Tschechoslowakei teilweise zu isolieren. In der folgenden Sudetenkrise lehnte K. eine enge Zusammenarbeit mit Hitler ab und bestand auf direkte Verhandlungen Ungarns mit der Tschechoslowakei. Sein Treffen mit deren Vertretern in Komorn blieb jedoch ohne Erfolg, und Ungarn erhielt erst beim 1. Wiener Schiedsspruch am 2. November 1938 einen gewissen territorialen Ausgleich. Unmittelbar danach drängte K. auf eine unabhängige militärische Aktion Ungarns in der Karpato-Ukraine mit dem Ziel, eine gemeinsame polnisch-ungarische Grenze zu errichten, was jedoch durch den Einspruch Hitlers verhindert wurde. K. trat danach infolge der wachsenden Kritik der deutschfreundlichen Politiker und Offiziere zurück. Während des Zweiten Weltkrieges gehörte K. dem konservativen antinazistischen Kreis unter Führung des Grafen István Bethlen und des Ministerpräsidenten Miklós Kállay an. Im Herbst 1944 wurde er von den Pfeilkreuzlern verhaftet und erst im Internierungslager von Sopronkőhida, dann in einem Budapester Gefängnis gefangen gehalten.
Literatur
Horthy, Nikolaus von: Ein Leben für Ungarn. Bonn 1953.
Macartney, Carlile Aylmer: October Fifteenth. 2 Bde. Edinburgh 1961.
Allianz Hitler-Horthy-Mussolini. Dokumente zur ungarischen Außenpolitik (1933-1944). Hrsg. Magda Ádám (u. a.). Budapest 1966.
Horthy Miklós titkos iratai. Hrsg. Miklós Szinai u. László Szűcs. Budapest 1972(4). (Engl. Ausgabe: The confidential papers of Admiral Horthy. Budapest 1965.)
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