Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Klesl, Melchior
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Klesl, Melchior

Klesl (Khlesl), Melchior, Kardinal und Direktor des kaiserlichen Geheimen Rates, * Wien 19.02.1552, † ebd. 18.09.1630, Sohn eines protestantischen Bäckermeisters.

Leben

 K. begann an der Wiener Universität seine Studien, die er nach der durch den Jesuiten Georg Scherer vorbereiteten Konversion zum Katholizismus am Jesuitenkolleg fortsetzte. Nach dem Studium der Theologie und dem Empfang der niederen Weihen (1576) wirkte er als Missionsprediger. 1579 wurde er in Ingolstadt Lizentiat der Theologie und anschließend in Wien zum Priester geweiht. Ab 1577 im Besitz eines Kanonikates in Breslau, wurde K. zwei Jahre später von Kaiser Rudolf II. die Dompropstei von St. Stephan in Wien und die damit verbundene Würde eines Kanzlers der Universität verliehen. 1580 ernannte ihn der Bischof von Passau zum Offizial und 1581 zum Generalvikar der niederösterreidiischen Teile seiner Diözese. 1588 zum Administrator des Bistums Wiener Neustadt berufen, zeigte sich K. als stärkster Förderer der Gegenreformation. 1585 wurde er kaiserlicher Rat und im Februar 1590 Leiter der Religionsreformation in Niederösterreich, wo er bei der Rekatholisierung der Städte große Erfolge erzielte. Die von ihm geforderte Zurückdrängung des evangelischen Adels gelang nicht, da die Regierung wegen des Aufstandes István Bocskays in Ungarn und Siebenbürgen die religiösen Zugeständnisse an die Protestanten nicht widerrufen konnte. K. wurde 1598 Bischof von Wien, behielt aber auch das Bistum Wiener Neustadt. Das Passauer Offizialat legte er 1600 nieder, die Bischofsweihe empfing er erst 1614. K. verlagerte nun an der Spitze des Bistums Wien den Schwerpunkt seiner Tätigkeit immer mehr auf politisches Gebiet und wurde 1599 Berater des Erzherzogs Matthias. Bei den Wiener Friedensverhandlungen des Erzherzogs mit den aufständischen Ungarn unter Bocskay sprach sich K. gegen religiöse Zugeständnisse aus, billigte aber schließlich den Friedensschluß vom 23. Juni 1606. Obwohl K. im Bruderzwist zwischen Kaiser Rudolf II. und Matthias zu keiner offiziellen Parteinahme zu bewegen war, ging doch die Abmachung der Erzherzoge von 1605, Matthias als Haupt des Hauses anzuerkennen, auf seine Anregung zurück. Nach der Teilung der Herrschaft in den Erbländern übernahm er die Leitung der Geschäfte Matthias’ und führte nach dem Tode Rudolfs II. die Verhandlungen über die Wahl Matthias’ zum römisch-deutschen Kaiser (1612). Er setzte sich nun für einen Ausgleich zwischen den Konfessionsparteien im Reich ein (damals Composition genannt), um die latente Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zwischen der katholischen Liga und der protestantischen Union zu beseitigen. Ein Krieg gegen die Türkei sollte ein Ventil für die Religionsstreitigkeiten schaffen und darüber hinaus Ungarn und Siebenbürgen von den Osmanen befreien. Von Kaiser Matthias in den Geheimen Rat berufen, zu dessen Direktor er ernannt wurde, übernahm K. immer mehr die Leitung der Regierungsgeschäfte, eine Tätigkeit, die ihm im Volksmund bald den Beinamen „Vizekaiser“ eintrug. Am 14. Juli 1615 schloß K. mit der Pforte den Vertrag von Wien, in dem der Friede von Zsitva- torok vom 11. November 1606 um 20 Jahre verlängert wurde. Der Papst ernannte ihn am 2. Dezember 1615 zum Kardinal, die Kurie publizierte jedoch die Ernennung erst am 9. April des folgenden Jahres. Bereits 1616 zog sich K. die Gegnerschaft Erzherzog Ferdinands von Innerösterreich zu, die unter den kaiserlichen Räten vor allem vom Hofkammerpräsidenten Siegfried Breuner und vom spanischen Gesandten Iñigo Graf von Oñate geteilt wurde. Zu den - allerdings unbewiesenen hatte das selbstbewußte und wenig taktvolle Auftreten des Kardinals Anlaß gegeben. Als K. nach dem böhmischen Aufstand vom Mai 1618 zu einem friedlichen Ausgleich und zur Verständigung riet und vor den schwerwiegenden Folgen eines Krieges warnte, ließen die Verfechter der von Spanien unterstützten radikalen Linie, die Erzherzoge Ferdinand und Maximilian, K. am 20. Juni 1618 festnehmen und auf Schloß Ambras bei Innsbruck bringen. Nach der Beschlagnahme des Vermögens wurde 1619 die förmliche Anklage gegen den Kardinal erhoben, der dann aber dem Vertreter des Papstes ausgeliefert wurde. Von einem Kardinalskollegium unter Paul V. zu lebenslänglicher Haft verurteilt, wurde K. im November 1622 nach Rom gebracht, aber schon ein halbes Jahr später von Gregor XV. entlassen. Um das Jahr 1624 soll K. Vorwürfen der Habsucht und Bestechlichkeit
 angeblich Papst Urban VIII. eine Denkschrift überreicht haben, in der er Pläne zum Sturz des siebenbürgischen Fürsten Gábor Bethlen ausgearbeitet hatte. Nachdem Kaiser Ferdinand II. K. die Rückkehr nach Österreich 1624 freigestellt und das Vermögen rückerstattet hatte, kam der 75jährige im Herbst 1627 nach Wien, wo er sich in den letzten Lebensjahren - wieder zu Ansehen gelangt, aber ohne politischen Einfluß - seinem Bistum widmete.

Literatur

Hammer-Purgstall, Josef Freiherr von: Khlesl’s, des Cardinals, Directors des geheimen Cabinetes Kaisers Mathias, Leben. 4 Bde. Wien 1847/51.
Kerschbaumer, Anton: Cardinal Klesel Minister-Präsident unter Kaiser Mathias. Wien 1865, 1905(2).
Müller, Johannes: Die Vermittlungspolitik Klesls von 1613 bis 1616 im Lichte des gleichzeitig zwischen Klesl und Zacharias Geizkofler geführten Briefwechsels. In: Mitt. Inst. österr. Gesch.-Forsch. Erg.-Bd 5. Wien 1896/1903, 604-690.
Pettkó, Béla: Olasz emlékirat Bethlen Gábor megbuktatásáról. In: Századok 24 (1890) 144-153.
Neck, Rudolf: Österreichs Türkenpolitik unter Melchior Klesl. (Diss.) Wien 1948.
Eder, Alois: Kardinal Klesl und sein Werk. (Diss.) Wien 1950.
Rainer, Johann: Kardinal Melchior Kiesi (1552-1630). Vom „Generalreformator“ zum „Ausgleichspolitiker“. In: Röm. Quart.-Schr. 59 (1964) 14-35.


GND: 119120712

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Empfohlene Zitierweise: Reinhard Rudolf Heinisch, Klesl, Melchior, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 416-418 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1137, abgerufen am: (Abrufdatum)

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