Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Korošec, Anton
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Korošec, Anton

Korošec, Anton, slowenischer Politiker, * Biserjani bei Sv. Jurij [heute Videm] na Ščavnici (St. Georgen a. d. Stainz) 12.05.1872, † Belgrad 14.12.1940.

Leben

 Nach dem Besuch der Gymnasien in Pettau (Ptuj) und Marburg an der Drau (Maribor) studierte K. 1892-1896 in Marburg Theologie, war bis 1898 als Kaplan, ab 1899 als Präfekt des Marburger Studentenseminars tätig; ergänzende theologische Studien in Graz schloß er 1905 mit der Promotion ab. 1898 hatte er die Redaktion des wegen seiner deutschfeindlichen Tendenz bekämpften „Slovenski Gospodar“ (Der slowenische Landwirt) übernommen, vorübergehend arbeitete er auch in der Schriftleitung der „Südsteirischen Presse“ mit. Ab 1901 gab er den „Naš Dom“ (Unser Heim), 1909 die politische Zeitung „Straža“ (Die Wacht) als eigenes Organ heraus. Der Beginn seiner Laufbahn als Politiker fällt in die Phase der Formierung eines neuen Parteiensystems: Der jüngere slowenische Liberalismus organisierte sich 1894 in der Volkspartei für Krain, die 1905 in Volksfortschrittspartei (Norodno-napredna stranka) umbenannt wurde; aus der Bewegung des politischen Katholizismus entstand nach der Gründung der Katholischen Politischen Gesellschaft in Krain 1890 und dem Slowenischen Katholikenkongreß 1892 die Katholische Volkspartei, die 1905 ihre bleibende Bezeichnung „Slovenska Ljudska (Narodna) Stranka“ (SLS), Slowenische Volkspartei, erhielt. Sie vertrat K. im Wiener Reichsrat ab 1906 und im Steirischen Landtag ab 1909. Im Zuge der Ausbildung eines rechten Agrarier- und eines linken, die Kleinbauern vertretenden Flügels innerhalb der SLS trat K. als Führer des Slowenischen Bauernbundes der Steiermark hervor. Als Vorsitzender des „Südslawischen Klubs“ verlas K. am 30. Mai 1917 im Wiener Parlament die von ihm mitverfaßte „Maideklaration“, in der die Vereinigung aller von Slowenen, Kroaten und Serben besiedelten Gebiete der Monarchie in einem demokratischen Staat unter dem Zepter der Habsburger gefordert wurde. Im folgenden Jahr hatte sich K. jedoch von dieser Konzeption entfernt: Am 16. August 1918 kam es auf seine Initiative hin zur Bildung des Volksrats (Narodni Svet) in Laibach; am 6. Oktober 1918 wurde er zum Präsidenten des Nationalrates der Slowenen, Kroaten und Serben (Narodno Vijeće Slovenaca, Hrvata i Srba) in Zagreb gewählt, der am 29. Oktober die Lostrennung der südslawischen Länder von Österreich-Ungarn verkündete. K. verhandelte vom 6. bis 9. November 1918 in Genf mit dem serbischen Regierungschef Nikola Pasić und dem Vorsitzenden des am 30. Mai 1915 in London gegründeten Südslawischen Ausschusses (Jugoslovenski Odbor), Ante Trumbić, anschließend auch mit Vertretern der Entente über die Bildung eines südslawischen Staates. Ergebnis dieser Kontakte waren die Genfer Deklaration vom 9. November 1918 sowie die Proklamation der Vereinigung der bislang zu Österreich-Ungarn gehörenden südslawischen Länder mit Serbien und die Anerkennung der Dynastie Karadjordjević durch den Nationalrat am 24. November 1918. In dem neuen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen setzte sich K., der dem Kabinett von Stojan Protić 1920 als Verkehrsminister angehörte, für einen gemäßigten, die Wirtschaftsentwicklung des großenteils rückständigen Landes nicht behindernden Föderalismus ein. In der Konstituante von 1920, in der die von K. geführte SLS mit 14 von 30 slowenischen Mandaten vertreten war, brachte K. einen gemeinsamen Verfassungsentwurf der SLS, der Kroatischen Volkspartei (Hrvatska Pučka stranka) und der kroatischen Regionalpartei der Bunjewatzen und Schokatzen (Bunjevačka stranka) ein. In realistischer Voraussicht der Schwierigkeiten einer Föderalisierung nach dem Prinzip der Volkszugehörigkeit vor allem in den von Serben und Kroaten gleichermaßen beanspruchten Gebieten sah K. die Einrichtung von je drei autonomen katholischen und orthodoxen Regionen auf der Grundlage der Mehrheitskonfession mit eigenen Regierungen und Parlamenten vor. Die Verfassung vom St. Veitstag (Vidovdanski ustav) mußte K. enttäuschen. Seine Partei, die schon 1923 ihre Stimmen von 58 971 auf 126 378 erhöhen, alle 21 slowenischen Mandate erringen konnte und auch in den folgenden Wahlen in Slowenien dominierte (Mandatsanteile: 1925 = 20 von 24; 1927 = 20 von 26), schloß sich am 29. Mai 1924 mit der Demokratischen Partei, der Kroatischen Bauernpartei und der Jugoslawischen Muslimischen Organisation zum Oppositionsblock zusammen; nach den Wahlen von 1925 bildete K. mit der Kroatischen Republikanischen Bauernpartei (Hrvatska Republikanska Seljačka Stranka = HRSS) und anderen Oppositionsfraktionen den Block der nationalen Verständigung und der Bauerndemokratie (Blok narodnog sporazuma i seljačke demokracije), der auf der Grundlage der alten Regierungserklärung des Ljubomir Davidović vom 12. August 1924 für den Ausbau des Rechtsstaates, die Sicherung der Freiheitsrechte, die Gleichberechtigung der Nationen, die Volkssouveränität, das parlamentarische Regierungssystem, die Gemeindeselbstverwaltung und für soziale Reformen eintrat. In das zweite Kabinett von Velja Vukičević trat er am 23. Februar 1928 als Innenminister ein. Nach dem Attentat des Puniša Račić auf Pavle und Stjepan Radić in der Skupština (20.06.1928) trat K. als erster und einziger slowenischer Ministerpräsident der Zwischenkriegszeit am 27. Juli an die Spitze der Regierung und bemühte sich vergeblich, die Opposition mit einem neuen Föderalisierungsplan (Einrichtung eines serbischen, kroatischen und slowenischen Banats; Beschränkung der Zentralregierung auf Außenpolitik, Landesverteidigung, Verkehrs- und Postwesen) zufriedenzustellen. Am 30. Dezember 1928 sah er sich zum Rücktritt gezwungen. Der ersten Regierung der Königsdiktatur unter General Petar Živković (1929-1932) gehörte er als Verkehrsminister an, bis er wegen des innenpolitischen Kurses, der Enttäuschung der föderalistischen Hoffnungen, letztlich auch mit Rücksicht auf die Stimmung unter seinen Anhängern in die Opposition ging und im Anschluß an die Zagreber Punktation des Vladimir Maček (7.11.1932) am 31. Dezember 1932 die Laibacher Punktation veröffentlichte. Daraufhin wurde er Anfang 1933 mit anderen Oppositionspolitikern verhaftet und auf Hvar interniert. Nach der Ermordung König Alexanders kehrte K. in das politische Leben zurück. Milan Stojadinović berief ihn als Innenminister in sein am 25. Juni 1935 gebildetes erstes Kabinett, dem K. bis zum 21. Dezember 1938 angehörte. Während der Debatte über die Ratifikation des schon 1935 abgeschlossenen Konkordats ließ er 1937 die Gendarmerie gegen Demonstrationen und Straßenkrawalle hart durchgreifen, konnte aber das Scheitern des Vertragswerks am Widerstand der Orthodoxie nicht verhindern. 1939 wurde K. zum Senatspräsidenten gewählt, kurz vor seinem Tode gehörte er 1940 dem Kabinett Cvetković/Maček als Minister für Volksbildung an.

Literatur

Erjavec, Fran: Zgodovina katoliškega gibanja na Slovenskem. Ljubljana 1928.
Farkaš, A.: Dr. Anton Korošec. Ljubljana 1941.
Arnež, John A.: Slovenia in European Affairs. New York, Washington 1958. = Studia Slovenica. 1.
Mikuž, Metod: Oris zgodovine Slovencev v stari Jugoslaviji 1917-1941. Ljubljana 1965.
Ude, Lojze: Slovenci in jugoslovanska skupnost. Maribor 1972.
Zečević, Momčilo: Slovenska ljudska stranka i jugoslovensko ujedinjenje 1917- 1921. Beograd 1973 (mit Bibliographie).

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)


GND: 119081032

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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Korošec, Anton, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 482-484 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1182, abgerufen am: (Abrufdatum)

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