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Ljapcev, Andrej Tasev, bulgarischer Politiker, * Resen 30.11.1866, † Sofia 08.11.1933.
Leben
L.s Geburtsort liegt in Mazedonien und ein gutes Verhältnis zur mazedonischen Bewegung zeichnete seine politische Karriere stets aus. Politisch gehörte L. zur einflußreichen Demokratischen Partei, die von Petko Karavelov 1896 gegründet worden war. Eine Zeit lang redigierte L. das Parteiorgan „Prjaporec“ (Das Banner). Schon lange vor dem Ersten Weltkrieg war L. mehrfacher Minister in den Kabinetten des Parteiführers Aleksandŭr Malinov: vom 16. Januar 1908 bis 5. September 1910 Handelsminister und vom 5. September 1910 bis 16. März 1911 Finanzminister. Im September 1918 gehörte L. zu den bulgarischen Politikern, die den Zaren Ferdinand I. zu einem raschen Friedensschluß drängten. Am 29. September 1918 Unterzeichnete er in Saloniki den Waffenstillstandsvertrag mit der Entente und sorgte bei dieser Gelegenheit dafür, daß die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen vier Wochen Zeit zum Abzug aus Bulgarien bekamen. Nach Sofia zurückgekehrt, forderte L. am 2. Oktober 1918 auf einer Versammlung aller Führer der im Parlament vertretenen Parteien die Abdankung des Zaren; der entsprechende Beschluß wurde dem Monarchen von Malinov überbracht und nach anfänglichem Zögern auch akzeptiert. 1918/19 war L. nacheinander Finanz-, Landwirtschafts- und Kriegsminister; gleichzeitig übernahm er immer stärker die Führung der Partei, da Malinov eine Phase der Resignation wegen des Krieges durchlebte. Im April 1919 schieden beide aus der Regierung aus. Nach dem Staatsstreich vom 9. Juni 1923 schloß sich die Demokratische Partei der neuen Parteienkoalition „Demokratische Eintracht“ (Demokratičeski Sgovor) an, wobei Malinov über diesen Schritt erheblich mehr Zweifel als L. hatte. Letzterer, als Demokrat wie als Wirtschaftsfachmann in der Öffentlichkeit gleich hoch angesehen, diente der regierenden „Demokratischen Eintracht“ gewissermaßen als demokratisches Aushängeschild im Umgang mit den nichtregierenden Parteien. Dadurch wurde L. fester an die Koalition gebunden, und im März 1924 kam es zum Zerwürfnis mit Malinov, der mit dem größten Teil der Demokraten die „Demokratische Eintracht“ verließ und die alte Demokratische Partei wiederherstellte. L. und seine Anhänger machten diesen Schritt nicht mit. Ende 1925 verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage Bulgariens; ausländische Kredite waren jedoch nicht zu erwarten, solange die Regierung der „Demokratischen Eintracht“ von Aleksandŭr Cankov geführt wurde. Um seine Basis zu verbreitern, verbündete sich L. mit den Nationalen um Atanas Burov und der mazedonischen Gruppe. Am 3. Januar 1926 trat Cankov zurück, am folgenden Tag bildetet L. das neue Kabinett. Als eine der ersten Amtshandlungen wurde eine Amnestie verkündet, die die antibulgarische Stimmung in Europa so weit lockerte, daß L. Ausländsanleihen hereinholen und Konzessionen an fremde Bergwerksgesellschaften vergeben konnte. Am 20. Januar 1930 erreichte er in Den Haag auch eine Vereinbarung über die bulgarischen Reparationsleistungen aus dem Krieg; die vereinbarten Zahlungen von 11,2 Mio Goldfranken jährlich auf 37 Jahre überstiegen zwar immer noch die Möglichkeiten Bulgariens, waren gegenüber früher jedoch eine spürbare Erleichterung. Innen- und parteipolitisch hatte L. eine weniger glückliche Hand, da er sich ständig mit neuen Manövern der ihm feindlichen Cankovisten auseinandersetzen mußte.
Versuche, den alten Malinov als ausgleichendes Element zwischen Cankov und L. zu stellen, scheiterten. Die Krise in der „Demokratischen Eintracht“ nahm so bedrohliche Formen an, daß der Zar im September 1928 bereits mit der Opposition (Malinov-Demokraten, Radikale, Sozialdemokraten, Nationalliberalen und verschiedenen Agrarierfraktionen) verhandelte. Das und beschwörende Telegramme des Finanzministers Vasil Mollov, der in Genf beim Völkerbund wegen der Anleihe verhandelte und einen Vertrauensschwund Bulgariens befürchtete, bewirkten eine Mäßigung in der Regierungsgruppe und L. konnte ein neues Kabinett bilden. Bald flammten die alten Gegensätze noch schärfer auf, da sich L.s Gegner mit der Zeitschrift „Luč“ (Der Strahl) ein schlagkräftiges Organ zulegten. Selbst im Parlament stimmten die Cankovisten mit der Opposition gegen L. Im Mai 1930 sah L. keinen anderen Ausweg mehr, als Cankov und einige seiner Freunde in die Regierung aufzunehmen. Bereits im April 1931 kam es zu einer erneuten Kabinettskrise und in den Wahlen vom 21. Juni 1931 erhielt die „Demokratische Eintracht“ als Quittung für ihre innere Instabilität eine vernichtende Niederlage. Zweieinhalb Jahre später starb L. Die Bulgaren schätzten ihn - der stets älter aussah als er war, und der vom Zaren Boris III. auch manchmal „der Alte“ genannt wurde - als aufrechten Demokraten und respektgebietende Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Nach seinem Tode ordnete der Zar ein Staatsbegräbnis an, das am 8. November 1933 in Sofia feierlich stattfand.
Literatur
Kazasov, Dimo: Burni godini. Sofija 1949.
Istorija: Bd 3, passim.
Naumov, Georgi: Političeski borbi v Demokratičeskija sgovor prez upravlenieto na Andrej Ljapčev. In: Ist. Pregled 25 (1969) 6, 24-51.
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