Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Milan Obrenović
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Milan Obrenović

Milan Obrenović, serbischer Fürst 1868-1882 bzw. König 1882-1889, * Mărăşeşti (Walachei) 22.08.1854, † Wien 11.02.1901, Sohn des Miloš Jevremović und der aus einer angesehenen moldauischen Familie stammenden Maria Helene Catargiu.

Leben

 M. war der letzte Obrenović aus einer Seitenlinie. Nach dem Tode seines Vaters (1861), eines Neffen des Fürsten Miloš, hatte er in dem serbischen Fürsten Michael einen Gönner gefunden, der ihm eine standesgemäße Erziehung vermittelte. Der Ruf der Serbischen Skupština, nach dem Attentat auf Michael Obrenović die Nachfolge anzutreten, erreichte den erst 14-jährigen als Schüler des Lycée-Louis-le-Grand in Paris. Die Kindheitserlebnisse und die vorzeitige Wahl zum Fürsten (02.07.1868) waren der charakterlichen Entwicklung M.s nicht förderlich. Von seinem Aufenthalt in der französischen Hauptstadt hatte er eine Vorliebe für westliche Lebensformen mitgebracht, so daß er sich zeit seines Lebens mit den bescheidenen Verhältnissen in Belgrad nicht hatte abfinden mögen und sich wiederholt in das abwechslungsreichere Leben von Wien, Budapest oder Paris flüchtete. Seine unbestreitbare Intelligenz und seine vielgerühmte Redegewandtheit hätten ihn zu größeren staatsmännischen Aufgaben ohne Zweifel befähigt, doch es ermangelte ihm die Beständigkeit und das Interesse an der ihm unverhofft zugefallenen schwierigen Aufgabe. Einen echten Kontakt zu seinem Land und zur Bevölkerung hat er nie gefunden. Private Eskapaden und sein aufwendiger Lebensstil mußten ihn zwangsläufig dem einfachen Volke entfremden. Nach seiner Ankunft in Serbien stand der jugendliche Fürst zunächst ganz unter dem beherrschenden Einfluß der für ihn bestellten Vormundschaft bzw. der drei Regenten Milivoje Blaznavac, Jovan Ristić und Jovan Gavrilović. Obwohl die neue Verfassung vom 11. Juli 1869 dem Herrscher praktisch keine einschneidenden Beschränkungen durch die Skupština auferlegte, suchte der Fürst nach seiner Volljährigkeit (22.08.1872) vergeblich, ein eigenes Profil zu gewinnen und sich dem von den mächtigen Parteien ausgehenden Druck zu entziehen. Es gelang ihm in den 70er Jahren gegenüber dem expansionistischen Programm der „Liberalen“ unter Jovan Ristić nach deren Wahlerfolgen von 1874 und 1875 und der großserbischen Omladina-Bewegung ebenso wenig wie in den 80er Jahren gegenüber den „Radikalen“. Unter dem Druck der Öffentlichkeit ließ er sich 1875 nach dem Ausbruch des Aufstandes in Bosnien und der Herzegowina widerwillig in einen Krieg mit der Pforte hineindrängen (Kriegserklärung vom 30.06.1876), der unter Führung des russischen Generals Michail Grigorevič Černjaev mit einem Fiasko endete. Nur das Ultimatum des russischen Zaren Alexander II. sicherte im Waffenstillstand vom 1. November 1876 bzw. im Frieden vom 28. Februar 1877 den Bestand des serbischen Fürstentums, das 1878 bei der Beilegung der Orientkrise auf dem Berliner Kongreß sogar die Anerkennung seiner völligen Unabhängigkeit erreichte. Trotz der nicht unbeträchtlichen territorialen Gewinne (u. a. Niš, Pirot) blieben allerdings bei der Grenzregelung eine Reihe von Wünschen offen. Die Enttäuschung über die mangelnde russische Unterstützung der serbischen Forderungen ließ M. in der Folgezeit engere Anlehnung an Österreich-Ungarn suchen. Das im Geheimvertrag vom 28. Juni 1881 bekräftigte Einvernehmen ermöglichte ihm zwar am 6. März 1882 die Annahme des Königstitels, führte aber durch die unvermeidlichen politischen und insbesondere wirtschaftlichen Folgerungen aus diesem faktischen Protektoratsverhältnis zu einer wachsenden Entfremdung zum Volk und der von den Radikalen unter Nikola Pasić organisierten nationalen und russophilen Opposition, deren Führung er nach dem mißglückten Aufstandsversuch in Ostserbien (Timoktal, 3.-14.11.1883) nur vorübergehend in die Emigration zu zwingen vermochte. Die unerquicklichen und in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Familienstreitigkeiten schadeten dem Ansehen des Herrschers in verhängnisvoller Weise. Am 17. Oktober 1875 hatte er Natalie Keško (Chescu), die Tochter eines moldauischen Adeligen in russischen Diensten, geheiratet. 1886 zog sich die im Volk beliebte Königin mit dem Thronerben Alexander nach Paris zurück, 1888 ließ sich M. scheiden, setzte aber die Rückkehr seines Sohnes durch. Die Befürwortung einer russischen Orientierung durch die Königin gab dem familiären Streit im Herrscherhaus einen für den Fürsten gefährlichen politischen Aspekt. Greifbare außenpolitische Erfolge blieben ihm versagt. Die nur durch persönliches Prestigedenken motivierte Kriegserklärung an den bulgarischen Nachbarn vom 14. November 1885, mit der er nach der Vereinigung Ostrumeliens mit Bulgarien auch für sein Land Kompensationsforderungen Nachdruck verleihen wollte, brachte den serbischen Truppen eine vernichtende Niederlage. Bereits am 25. November stand Alexander I. von Bulgarien bei Pirot auf serbischem Staatsgebiet. Nur die Intervention Österreich-Ungarns rettete M. (Friede von Bukarest 03.03.1886). Vergebens suchte der König durch ein Entgegenkommen gegenüber den „Radikalen“, die 1888 erstmals ein Kabinett stellten (unter Sava Grujić) und durch eine Änderung der Verfassung (03.01.1889), die schwindende Popularität zurückzugewinnen. Am 6. März 1889, genau sieben Jahre nach der Erhebung Serbiens zum Königreich, dankte der noch nicht 35jährige König völlig überraschend zugunsten seines Sohnes Alexander ab. Er zog sich nach Paris zurück und führte in den folgenden Jahren einen aufwendigen Lebenswandel, der wiederholt die Skupstina beschäftigen sollte. 1891 verzichtete er gegen eine hohe Ablösesumme auf seine Staatsbürgerschaft. Die Aussöhnung mit seiner Frau (1893/94) bereitete nochmals die Rückkehr nach Serbien vor. 1894 rief ihn sein Sohn zur Unterstützung im Verfassungskonflikt aus Paris zurück, er blieb allerdings zunächst nur bis 1895 im Lande. Während seines zweiten Aufenthaltes, 1897-1900, gewann er für kurze Zeit den Einfluß auf die Regierung zurück und führte als Oberkommandierender der serbischen Armee ein starkes persönliches Regiment, das einen wachsenden Unwillen im Lande erregte. Die Unstimmigkeiten über die Eheschließung Alexanders mit Draga Mašin führten schließlich zum Bruch mit dem Sohn und zum endgültigen Rückzug M.s nach Wien. Dort ist er ein Jahr später gestorben. Sein Leichnam wurde in das Kloster Krušedol überführt.

Literatur

Živanović, Živan: Politička istorija Srbije u drugoj polovini XIX veka. 4 Bde. Beograd 1923/25.
Jovanović, Slobodan: Vlada Milana Obrenovića. 3 Bde. Beograd 1934(2).
Gladt, Karl: Kaisertraum und Königskrone. Aufstieg und Untergang einer serbischen Dynastie. Graz, Wien, Köln 1972.

Verfasser

Edgar Hösch (GND: 105823724)


GND: 122295528

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/122295528

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Empfohlene Zitierweise: Edgar Hösch, Milan Obrenović, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 205-207 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1366, abgerufen am: (Abrufdatum)

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