Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Mjeda, Don Ndre

Mjeda, Don Ndre (Andreas), albanischer Geistlicher, Dichter und Philologe, * Skutari 20.11.1866, † ebd. 01.08.1937, Sohn des Hirten Jak Zefi und der Wäscherin Luçia Shtjefen Thaçi.

Leben

Nach Beendigung seiner Grundausbildung am Jesuitenseminar in Skutari wurde M. in das Kolleg Porta Coeli in Valencia geschickt, wo er 1879-1882 Pädagogik und Literatur studierte. 1882 verließ M. Spanien und begab sich nach Kraljevica (Porto Re) in Kroatien und studierte am dortigen Jesuitenkolleg Rhetorik. 1884 schloß er dort seine Mittelschulausbildung ab, mit soliden Kenntnissen in lateinischer und italienischer Sprache und Literatur. Von 1884 bis Anfang 1887 studierte er in Kraljevica bei der dortigen Sektion der Gregorianischen Universität Rom Philosophie. Danach ging er nach Chieri (bei Turin), wo ebenfalls eine Filiale der Gregoriana existierte, und blieb dort bis Ende des Jahres. Bereits in Kraljevica begann M. - nach einigen lateinischen Versuchen - albanische Gedichte zu schreiben sowie sein erstes albanisches Kurzpoem „Vaji i bylbylit“ (Die Klage der Nachtigall), das die Trauer des in der Fremde weilenden Autors über sein unterdrücktes Vaterland ausdrückt. In diesen Jugendgedichten kommt vor allem die Vaterlandsliebe M.s zum Ausdruck. Sie sind nicht nur von der italienischen Lyrik des 19. Jh.s beeinflußt, sondern auch von der Dichtung des katholischen Klerus in Albanien, besonders von Leonardo de Martino, der 1881 in Venedig seine Gedichtsammlung „L’arpa d’un Italoalbanese“ veröffentlichte. Die Jahre der Prizrener Liga und damit das Aufkommen der albanischen Nationalbewegung übten natürlich auch ihren Einfluß auf die albanische Literatur aus. Skanderbeg wurde Hauptthema der albanischen Dichtung, und auch M. schrieb 1886 ein Gedicht, „Vorri i Skanderbegut“ (Das Grab Skanderbegs). 1887-1891 arbeitete M. als Musiklehrer am Kolleg „Marco Girolamo Vida“ in Cremona. Dort schrieb er zahlreiche Gedichte und beschäftigte sich gleichzeitig mit der Übersetzung religiöser Schriften: 1888 erschien in Rom „Jeta e Shejtit Shnjon Berkmans“ (Das Leben des hl. Johannes Berchmans) und 1892 die Übersetzung „T’përgiamit e Zojs bekueme“ (Die Nachfolge Gottes). Innerhalb dieser Reihe religiöser Schriften erschienen 1927 und 1928 in Skutari ein eigenes Werk „Shë Luigj Gonzaga“ (Der hl. Luigi Gonzaga), mit erzieherischen Zielsetzungen für die katholische Jugend, und dann die Übersetzungen „Katekizmi i madh“ (Großer Katechismus) in drei Büchern und „Historia e shejtë“ (Heilsgeschichte). 1891-1895 studierte M. an der Theologischen Fakultät der Filiale der Gregoriana in Krakau. Hier lernte er die albanologischen Arbeiten von Holger Pedersen und Gustav Meyer kennen. Damals schrieb er sein Gedicht „Gjuha shqype“ (Albanische Sprache), das er Gustav Meyer widmete, der 1892 in Straßburg sein „Etymologisches Wörterbuch der albanischen Sprache“ herausgebracht hatte. Es ist sicher, daß dieses Werk für M. der Anlaß war, sich mit der Frage der Sprache zu befassen, einer Frage, die ihn sein ganzes Leben lang beschäftigen sollte. Bis zum Erscheinen des Meyerschen Wörterbuches hatte sich M. in seinen Werken des Alphabets der alten katholischen Schriftsteller des Nordens bedient; jetzt übernahm er mit einigen kleinen Veränderungen dessen Alphabet, das er später zum Alphabet aller Albaner machen wollte. Es handelt sich dabei um das Alphabet Kristoforidhis, mit einigen Verbesserungen, das 1895 auch Holger Pedersen in seinem Werk „Albanesische Texte mit Glossar“, ebenfalls kaum verändert, anwandte. In dieser Zeit schrieb M. auch ein Gedicht, das er Österreich-Ungarn widmete: „Kangë kombëtare e Austrisë“ (Nationalhymne Österreichs). 1893 weilte M. einige Zeit in Görz (Gorizia) und von 1894 bis 1898/99 als Professor für Philosophie und Philologie sowie als Bibliothekar an der Filiale der Gregoriana in Kraljevica. Bald darauf wurde er Professor für Logik und allgemeine Metaphysik. Zu dieser Zeit brach ein Konflikt aus, der bald zum Skandal wurde: Es standen sich dabei der Franziskaner-Missionar und bekannte Dichter De Martino, ein erbitterter Gegner Österreich-Ungarns, und der höhere albanische Klerus gegenüber; Österreich-Ungarn und der Vatikan mischten sich mehr oder weniger direkt ein. In diesen Streit wurde auch M. verwickelt. Resultat dieses Konfliktes war, daß M. 1898 aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen wurde. Die Gründe dafür sind nicht genau bekannt, nach der neueren albanischen Literaturgeschichte geschah es deshalb, weil M. zu sehr Patriot war, was nicht mit der Ideologie des Jesuitenordens vereinbar war. Nach Meinung von Mark Gurakuqi trat M. von sich aus aus dem Orden aus, weil er angeblich erkannt hätte, daß die Jesuiten im Dienste fremder imperialistischer Mächte stünden und gegen Albanien arbeiteten - eine These, die schwer zu beweisen, im heutigen Albanien aber trotzdem sehr verbreitet ist. Mit Hilfe des Vatikans und des Abtes der Mirdita Preng Doçi erhielt M. dann die Stellung eines Lehrers in Viq in Mirdita, wohin er 1899 aus Italien kam. Als Doçi im gleichen Jahr auf österreichischungarische Initiative hin und mit Hilfe einiger hoher albanischer Geistlicher in Skutari die Gesellschaft „Bashkimi“ (Union) gründete, war M. daran beteiligt. Er entzweite sich aber wegen der Alphabetfrage bald mit Doçi, der für das italo-albanische Alphabet eintrat, während M. sein eigenes durchsetzen wollte. 1901 gründete M. zusammen mit seinem Bruder Lazar, der seit 1896 Bischof von Sappa war, als Pendant zu „Bashkimi“ die Gesellschaft „Agimi“ (Morgenröte). Um die Unstimmigkeiten auszugleichen, fand vom 1. bis 6. Mai 1902 in Skutari die 7. albanische Bischofskonferenz statt, deren Hauptthema die Vereinheitlichung des albanischen Alphabets war. Die Beschlüsse der Konferenz wurden in einer Resolution in italienischer Sprache zusammengefaßt: Esposizione dell’Alfabeta della Conferenza dei Vescovi albanesi in Scutari“. Hierin wird betont, daß M.s Alphabet der albanischen Sprache am besten entspreche, obwohl bereits einige Bücher im „Bashkimi“-Alphabet gedruckt waren. Von diesem Jahre an bis zur Ausrufung der albanischen Unabhängigkeit 1912 schrieb M., zusammen mit Anton Xanoni, in seinem Alphabet eine Reihe von Lesebüchern für albanische Schulen, die von Österreich-Ungarn subventioniert wurden. Das bekannteste dieser Lesebücher ist „Këndimet për shkollat e para të Shqypnisë“ (Lesebuch für die Grundschulen Albaniens, 1911), in dem sich zahlreiche von M. verfaßte Prosatexte finden. Vom 4. bis 10. September 1902 nahm M. am Internationalen Orientalistenkongreß in Hamburg teil und hielt dort in lateinischer Sprache ein Referat „De pronuntiatione palatalium in diversis albanicae linguae dialectis“, das 1904 in den Kongreßakten veröffentlicht wurde. Von 1902 bis 1905 hielt sich M. zumeist in dem kleinen Ort Dajç in der Zadrima auf; 1905/6 unterrichtete er in Gramsh, Zadrima, und wurde schließlich Dorfpfarrer in Kukël. Sicher erhielt er auch Unterstützung von seinem Bruder Lazar, der 1905 neben seinem Posten als Bischof von Sappa auch Stellvertreter des Erzbischofs von Skutari, 1909 Erzbischof von Prizren und 1921 schließlich Erzbischof von Skutari wurde. Die Alphabetfrage schien mit der Entscheidung der Bischofskonferenz gelöst; bereits im August 1903 erließ der Erzbischof von Skutari, Paschalis Guerini, den Beschluß, daß alle künftigen Bücher nur noch im „Agimi“-Alphabet gedruckt werden sollten. Die Gesellschaft „Bashkimi“, der auch Gjergj Fishta angehörte, veröffentlichte jedoch 1908 ihr albanisches Wörterbuch (Fjalor) in ihrem Alphabet. Auf dem Alphabetkongreß von Monastir (Bitolj) 1908, an dem Fishta als Vertreter von „Bashkimi“ und M. als Vertreter von „Agimi“ teilnahmen, trug Fishta den Sieg davon: es wurde das „Bashkimi“-Alphabet angenommen, das mit geringfügigen Veränderungen auf dem des Italo-Albaners Dhimiter Camarda aus dem Jahre 1869 beruhte. Zweimal entging M. knapp der Verhaftung durch die türkischen Behörden, einmal auch der Internierung, da er sich in politische Fragen einmischte. 1916-1917 wurde mit Unterstützung Österreich-Ungarns in Skutari eine „Literarische Kommission“ (Komisija letrare) begründet, deren Mitglied auch M. wurde, die aber nichts Bedeutendes leistete. 1920-1924 war M. als Vertreter Skutaris aktiv am politischen Leben beteiligt. Nach der Machtergreifung Zogus zog sich M. aus dem politischen Leben zurück und widmete sich in Kukël, einem Dorf auf der Strecke Skutari-Alessio, seiner kleinen Familie. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Skutari als Lehrer am dortigen Jesuitengymnasium. Das literarische Schaffen M.s ist nicht sehr umfangreich. Zu seinen Lebzeiten wurden veröffentlicht: „Vaji i bylbylit“ (1887), „Juvenilia“ (Wien 1917, 2. Aufl. Skutari 1928), „Lissus“ (1921) und kurz vor seinem Tode eine Sammlung von Sonetten „Liria“ (Freiheit, 1937); 1940 erschien noch ein kurzes Poem „Scodra“. Seine unveröffentlichten Gedichte wurden erst nach dem 2. Weltkrieg publiziert (Vjersha dhe poema, Tirana 1953). Von seinen Prosawerken, von den o. a. religiösen Schriften abgesehen, veröffentlichte M. 1934 in Skutari eine kurze sprachwissenschaftliche Untersuchung „Vrejtje mbi artikujt e premna pronës të gjuhës shqype“ (Bemerkungen über Artikel und Possisivpronomen in der albanischen Sprache), dann „Jeta e së lumes Virgjin Mri“ (Leben der hl. Jungfrau Maria, Skutari 1930). Hier verwendet M. Teile aus Bogdanis Werk, die er transkribiert und mit philologischen Erläuterungen versieht. 1932 veröffentlichte er in Skutari Auszüge aus Budis „Pasqyra e të rrëfyemit“ (Beichtspiegel); auch diese Veröffentlichung hat nicht nur religiösen Charakter, sondern auch philologische Bedeutung. M.s Werk ist seiner künstlerischen Qualiät nach von großer Bedeutung. Seine ersten Gedichte, romantisch mit stark nostalgischen Zügen, schildern die Schönheit seiner Heimat, sind eine Hymne auf das Vaterland. In der Sammlung „Liria“ (6 Sonette) besingt er den Kampf für die Freiheit seines Landes, den Aufstand der Albaner gegen die Türken. Ein wichtiges Thema seiner Gedichte ist das Dorf und das Leben der Bauern, das er teils realistisch schildert, teils sentimental betrachtet. Dieses Thema wird am besten im Gedicht „Andra e jetës“ (Lebenstraum) deutlich. Die in den Sammlungen „Lissus“ (12 Sonette) und „Scodra“ (11 Sonette) vereinten Gedichte haben politischen Charakter, in ihnen zeigt er die ruhmreiche Vergangenheit seines Volkes. Sie gehören sicher zu den besten Sonetten der albanischen Literatur, sind aber wegen ihres klassizierenden Stils und wegen der Verwendung im Albanischen nicht gebräuchlicher Ausdrücke schwer verständlich. M. schrieb ein reines und vollkommenes Albanisch, seine Sprache weist aber oft lokale, Skutariner, Züge auf. Er bemühte sich auch nicht, die beiden albanischen Dialekte einander anzunähern, obwohl das zu den Hauptaufgaben der „Literarischen Kommission“ gehörte. M. nahm bis zum 2. Weltkrieg keinen sehr hohen Rang innerhalb der albanischen Literatur ein. Erst nach dem Kriege wurde er zum größten albanischen Dichter erklärt, im Unterschied zu der großen Zahl der katholischen Dichter Skutaris, die in der albanischen Literaturgeschichte nicht mehr genannt werden und deren Werke auf dem Index der verbotenen Bücher stehen.

Literatur

Siliqi, Llazar: Poeti, patrioti dhe linguisti Ndre Mjeda. In: Letërsia jonë 6 (August 1952).
Ders.: [Vorwort zu]: Ndre Mjeda: Vjersha dhe poema. Tiranë 1953, 5-26.
Gurakuqi, Mark: Jeta e poetit dhe patriotit demokrat Ndre Mjeda. In: Arësimi popullor 17 (1962) 6, 61-87.
Shuteriqi, Dhimitër S.: Të dhëna të reja mbi jetën dhe krijimtarinë e Ndre Mjedës. In: Nëndori 10 (1963) 3, 98-122.
Gurakuqi, Mark: Poeti e patrioti Ndre Mjeda. In: Bul. Shk. shoq. 10 (1963) 3, 81-135.
Historia e letërsisë shqipe. Prishtinë 1968, 526-549.
Schwanke, Robert: Don Ndre Mjedja und das Kultusprotektorat von Österreich-Ungarn. In: Shêjzat 13 (1969) 70-74.  

Verfasser

Hasan Kaleshi (GND: 1084144948)


GND: 132577194

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Empfohlene Zitierweise: Hasan Kaleshi, Mjeda, Don Ndre, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 225-229 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1379, abgerufen am: (Abrufdatum)

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