Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Ilarion Makariopolski

Ilarion Makariopolski (eigentlich Stojan Stojanov Michajlovski), Titularbischof von Makariopolis (ab 17.[05.]10.1858), Metropolit von Türnovo (ab 6.06.[25.05.]1872), * Elena bei Tŭrnovo September 1812, † Istanbul 16.(04.)07. 1875, Sohn des Grundbesitzers Stojan Michajlovski (Michaljev) und der Tochter des Honoratioren Stojan Topal Todorov.

Leben

Nach dem Schulbesuch in Elena begann I. mit der Tuchmacherlehre in Türnovo, ging aber 1831 zur weiteren Bildung auf den Athos, wo er 1832 (unter dem Namen Ilarion) in den Mönchsstand eintrat. 1836 setzte er seine Studien als Schüler des Thomazos Kairis auf Andros fort, studierte 1838-1841 in Athen und 1843 wenige Monate mit Unterstützung durch Stefan Bogoridi in Kuruçeşme. In Istanbul kam er in Kontakt mit polnischen Emigranten um Michal Czajkowski (Mehmed Sadik Efendi), die in Verbindung mit Adam Jerzy Czartoryski die wachsende Unzufriedenheit der Bulgaren mit der dominierenden Stellung der Griechen im höheren Klerus und im ökumenischen Patriarchat für ihre gegen Rußland gerichteten Pläne ausnutzen und die Orthodoxen für die Union mit Rom gewinnen wollten. Der Einfluß Georgi Stojkov Rakovskis und Neofit Bozvelis bestärkte I. in der Überzeugung, daß die Bulgaren Anspruch auf bulgarische Metropoliten und Bischöfe, den Gebrauch des Kirchenslawischen bzw. Bulgarischen im Zeremoniell der Kirche und in ihren Schulen, auf Vertretung ihrer Diözesen in Konstantinopel und bei der Patriarchenwahl sowie auf Teilnahme bei der Verwaltung der Patriarchatsfinanzen haben und nur so vor der Gräzisierung, aber auch vor den Erfolgen der Unionspropaganda bewahrt werden könnten. Die auf größere Eigenständigkeit der bulgarischen Diözesen dringende Bewegung erhielt in der durch den Hatt-i humayun von 1856 eingeleiteten Reformperiode neue Impulse. In den schwierigen Verhandlungen mit dem Patriarchat, das den Nationalitätenproporz in der Kirchen Verwaltung ablehnte und die Autokephalie nur Kirchen selbständiger Staaten zugestehen wollte, gelang es gemäßigten Vertretern beider Seiten bis 1870 immer wieder, auch in heftig umstrittenen Fragen (Verwaltung der ethnisch gemischten Diözesen) Kompromisse zu vereinbaren, die allerdings am Widerstand des einflußreichen nationalistischen Laienelementes scheiterten. I. verfocht von Anfang an extreme Ansichten und hielt nach der Verschärfung der Gegensätze eine Trennung von Konstantinopel für unvermeidlich. Großes Aufsehen erregte er, als er erstmals in der Osterliturgie am 15. (3.) April 1860 in der Hauptstadt eine Messe zelebrierte, ohne den Patriarchen im Gebet zu memorieren, und damit das Beispiel für weitere Provokationen gab. Gleichzeitig trug er zur Differenzierung der Positionen auf bulgarischer Seite bei: Einerseits setzte er sich von den gemäßigten Prälaten um den späteren Exarchen Antim und den Metropoliten von Plovdiv, Paisij, ab, die bei gemäßigten weltlichen Kräften vor allem in der osmanischen Verwaltung (Gavril Krüstevic) Unterstützung fanden, andererseits hatte seine enge Zusammenarbeit mit radikalen Politikern und Intellektuellen (Stojan Ivanov Čoma-kov, Georgi Stojkov Rakovski, Petko Racov Slavejkov) in der Ablehnung revolutionärer Ziele (Beseitigung der Osmanenherrschaft) ihre Grenze. Kirchenrechtswidrige Akte und die provozierende Haltung gegenüber dem Patriarchat machten ihn den russischen Gesandten Andrej Borisovic Lobanov-Rostovskij (1858-1863) und Nikolaj Pavlovič Ignat’ev (1864-1877) verdächtig. Ziel der von Ignat’ev mitgestalteten Politik Petersburgs war die Revision des Pariser Friedens von 1856, die Herrschaft Rußlands über die Meerengen und die Sicherung seiner Interessen in diesem Raum durch ein auf die Befreiung von der Türkenherrschaft und ein umfassendes südosteuropäisches Verteidigungsbündnis abzielendes Zusammenwirken der Balkanchristen einschließlich der Griechen und Rumänen unter russischer Führung. Mit dieser Konzeption ließ sich I.s Politik, mit Hilfe der Pforte die bulgarische Kirche von Konstantinopel zu trennen und damit das Patriarchat empfindlich zu schwächen, nicht vereinbaren. Auch fand sich Rußland mit den kirchenrechtswidrigen Praktiken I.s nicht ab. So hatten Ignat’evs ständige Vermittlungsversuche das Ziel, den Wünschen der Bulgaren so weit wie möglich entgegenzukommen, die Einheit der Kirche jedoch zu wahren und L, der Ignat’ev als ein „prelat d’un caractere leger, inquiet et ambitieux“ unangenehm auffiel (Ignat’ev an Gorčakov, 2. VIII. [21. VII.] 1870), kaltzustellen. Unterstützung fand I. hingegen bei den russischen Konsuln bulgarischer Herkunft in der Provinz, vor allem bei Najden Gerov in Plovdiv. Angesichts der wachsenden Unruhe unter den Bulgaren (Aktionen von Banden unter Chadzi Dimitür, Stefan Karadža, Panajot Chitov, Filip Totju) war die Pforte immer mehr bereit, auf Ls Forderungen einzugehen und die Bulgaren von den Griechen, die 1866 den Aufstand auf Kreta begonnen hatten, zu trennen, obwohl sie als Folge der Entwicklung den Anspruch der Bulgaren auf politische Unabhängigkeit befürchtete. Mit dem Ferman vom 12. März (28. II.) 1870 schuf die Pforte den Rahmen für die Etablierung der bulgarischen Kirche unter einem Exarchen, ohne diese vom Patriarchat ganz zu trennen, stärkte damit aber die Position der Extremisten um I. und der nationalistischen Laien. Nachdem Ignat’evs neuerliche Vermittlungsbemühungen gescheitert waren, verurteilte die Patriarchatssynode die bulgarische Kirche am 28. (16.) September 1872 als schismatisch. I.s vom Großwesir Ali Pascha gewünschte Kandidatur für die Exarchenwürde verhinderten IgnaPev und die Mehrheit der bulgarischen Prälaten: Während I. die Wahl des Exarchen auf Lebenszeit und seine Ausstattung mit weitreichenden Vollmachten empfahl, wollten die Geistlichen in Anknüpfung an die orthodoxe Tradition der Gleichheit aller Metropoliten, die Laien unter dem Einfluß liberaler und demokratischer Ideologien (s. die Diskussionsbeiträge in Petko Racov Slavejkovs Zeitschrift „Makedonija“) die Amtszeit des unter Beteiligung des Volkes zu wählenden Exarchen auf vier Jahre beschränkt und das entscheidende Gewicht bei der Synode sehen. Der am 6. Juni (25.05.) 1872 zum Metropoliten von Türnovo geweihte I., dessen konservative Überzeugungen nach der Trennung vom Patriarchat deutlicher hervortraten, fühlte sich am Ende seines Lebens, als die Demokraten die kirchliche „Befreiung' Nationalstaats weitertreiben wollten, mehr und mehr isoliert. Seit den Jugendjahren hatte sich I. der Volksbildung, den Belangen der Kirche und ab 1859 dem Widerstand gegen die Unionspropaganda besonders in Kukuš (Havret Hisar) gewidmet. Als einer der ersten machte er die Volkssprache zur Grundlage einer neuen Orthographie. 1852-1858 vertrat er die Athosklöster in Konstantinopel und leitete 1857 das Chilandar-Kloster. Mit Neofit Rilski arbeitete er die Statuten der bulgarischen Kirche des hl. Stefan und des Metochs in Konstantinopel aus und stand diesen Instituten 1858-1870 als Titularbischof von Makariopolis vor. Wegen seines Auftretens gegen das Patriarchat mußte er 1845-1850 und 1861-1864 in die Verbannung gehen und mehrere Kirchenstrafen (1871 Exkommunikation, 1872 ewiges Anathema) hinnehmen. revolutionären Errichtung eines zur

Literatur

Petrov, N. I.: Načalo greko-bolgarskoj raspri i vozroždenija bolgarskoj narodnosti. In: Trudy Kievskoj duchovnoj akademii 27 (1886) 5, 43-72; 6, 157-197; 7, 383-417.
Radivoev, Milan: Vrěme i život na Tŭrnovskija mitropolit Ilariona (Makariopolski). Sofija 1912.
Arnaudov, Michaił: Ilarion Makariopolski, mitropolit Tŭrnovski (1812-1875). Sofija 1925.
Kiril, patriarch bŭlgarski: Ekzarch Antim. Sofija 1956.
Ders.: Graf N. P. Ignatiev i bŭlgarskijat cŭrkoven vŭpros. Izsledvane i dokumenti. Bd 1. Sofija 1958.
Sŭbev, Todor: Pogled vŭrchu osnovavaneto i cŭrkovno-narodnostnoto služenie na Bŭlgarskata ekzarchija. In: Godišnik na Duchovnata akademija Sv. Kliment Ochridski 9 (1959/60) 307-371.
Sirakov, Stanjo: Ilarion Makariopolski. Sofija 1973.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)


GND: 118921614

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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Ilarion Makariopolski, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 218-220 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1002, abgerufen am: (Abrufdatum)

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