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Kolonja, Shahin, albanischer Politiker und Publizist, * Starje (Kolonja, Kreis Korça in Südalbanien) 1865, † Istanbul 1919.
Leben
K. entstammte der reichen Familie Ypi; er Unterzeichnete deshalb auch oft als Shahin Ypi Kolonja. Albanisch lesen und schreiben lernte er bei Petro Nini Luarasi, dem Begründer des albanisch-sprachigen Volksschulwesens. Die Grundschulausbildung beendete er in Korça und ging dann nach Istanbul, wo er die Mittelschule und die Höhere Verwaltungsschule (Mülkiye) besuchte. In Istanbul kam er mit albanischen Politikern und Schriftstellern in Kontakt, was für seine zukünftige politische Orientierung ausschlaggebend wurde. Nach Beendigung seiner Ausbildung bemühte er sich, allerdings erfolglos, um die Erlaubnis, eine albanische Zeitung herausgeben zu dürfen. Als Gymnasiallehrer begab er sich daraufhin nach Edirne und dann nach Kirkkilise. Später trat er in den Verwaltungsdienst ein: zunächst als Kreisvorsteher (Kaymakam) in Kočani in Mazedonien, dann in gleicher Funktion auf dem Athos. Überall sammelte er albanische Landsleute um sich und agitierte für die nationale albanische Sache. Das blieb dem griechischen Klerus nicht verborgen, der dafür sorgte, daß K. vom Dienst suspendiert wurde. Er kehrte nach Istanbul zurück und übersetzte dort das bekannte Werk von Sami Frashëri, „Shqipëria. Ç’ka qënë, ç’është e ç’do të bëhetë?“ (Albanien. Was es war, was es ist und was es sein wird) ins Türkische. Diese Übersetzung gibt noch heute türkischen Wissenschaftlern zu Polemiken Anlaß. Es wird behauptet, daß dieses Werk, das eine stark antitürkische Tendenz aufweist, nicht von Frashëri geschrieben sein kann, denn dieser habe sich selbst als Türke gefühlt. K. habe es vielmehr selbst verfaßt und ins Türkische übersetzt (s. Agâh Sirri Levend: Şemsettin Sami. Ankara 1969). Nach einiger Zeit wurde K. zum Kaymakam von Valona ernannt, trat dieses Amt aber nicht an, sondern reiste nach Paris. 1900 weilte er auf Korfu und begab sich von dort aus nach Athen, wo er einen Kreis albanischer Studenten um sich sammelte, zu denen auch Nikolla Naço gehörte, der später im albanischen Emigrantenkreis von Bukarest arbeitete. Von Athen aus begab sich K., einem Aufruf des jungtürkischen Komitees folgend, nach Paris, um dort über eine gemeinsame Aktion gegen das absolutistische Regime des Sultans zu beraten; es kam aber zu keiner Einigung. K. blieb in Paris und bemühte sich, wiederum vergeblich, eine albanische Zeitung herauszugeben. Er trat in Korrespondenz mit Kristo Luarasi, der schon 1897 in Sofia die erste albanische Druckerei „Mbrothësia“ (Fortschritt) gegründet hatte. Anfang 1901 reiste K. nach Sofia und begann im November mit der Herausgabe von „Drita“ (Das Licht). Die Zeitung kam anfänglich unter großen finanziellen Schwierigkeiten mit Unterstützung albanischer Patrioten, besonders Kristo Luarasis, heraus, wurde allem Anschein nach aber später von Österreich- Ungarn subventioniert. Das kann man aus verschiedenen Beiträgen der Zeitung schließen, die die österreichisch-ungarische Albanienpolitik sehr wohlwollend beurteilen, eine Einschätzung, die durchaus verständlich ist, wenn man berücksichtigt, daß ein großer Teil der albanischen Intellektuellen sich der Illusion hingab, das Heil Albaniens würde von Österreich kommen. Auf der anderen Seite führte die Zeitung einen heftigen Kampf gegen die griechische „Megali idea“, gegen das Patriarchat von Konstantinopel, das die Entwicklung eines albanischen Bildungs- und Schulwesens zu verhindern suchte, gegen die türkische Regierung und gegen die Politik der Balkanstaaten. Belgrader Zeitungen dieser Zeit polemisierten deshalb sehr häufig gegen die „Drita“. Zu einer engeren Zusammenarbeit mit den Italo-Albanern war K. nicht bereit, da er gegenüber den italienischen Ambitionen in Albanien Mißtrauen hegte. „Drita“ war die bei den albanischen Intellektuellen meistgelesene Zeitung; sie hatte nach österreichischen Quellen ca. 700 Abonnenten, eine für damalige albanische Verhältnisse große Zahl. Gedruckt wurde sie im „Konstantinopler Alfabet“ von Samt Frashëri, die Verteilung erfolgte über die österreichischen Konsulate, wie das auch bei der von Faik Konica herausgegebenen Zeitung „Albania“ der Fall war. In „Drita“ erschienen die ersten Arbeiten von Jani Vruho, dem späteren Herausgeber einiger Zeitungen in Ägypten, von Mihal Grameno, Çerçiz Topulli u. a. Nach dem Ausbruch der jungtürkischen Revolution stellte „Drita“ unter den veränderten politischen Bedingungen ihr Erscheinen ein. K. ging nach Bukarest und Constanţa, um dort über die Herausgabe albanischer Bücher und albanischer nationaler Propaganda zu verhandeln. Bei den Wahlen zum ersten jungtürkischen Parlament wurde K. als Delegierter Korças einer der 26 albanischen Deputierten. Im türkischen Parlament kämpfte er gemeinsam mit Ismail Qemal Vlora, Hasan Prishtina, Nexhip Draga u. a. für die nationalen Rechte der Albaner, besonders als es um das lateinische Alphabet für die albanische Sprache und die Maßnahmen der türkischen Regierung gegen die Albaner ging. Als Ismail Qemal Vlora im Dezember 1908 die liberale Partei „Ahrar“ gründete, schloß K. sich ihr an. Auf dem Kongreß von Monastir 1908 stellte er ein albanisches Autonomieprogramm vor, das die Zustimmung aller Delegierten fand. In diesem Programm war vorgesehen: Die offizielle Anerkennung der albanischen Nationalität und der albanischen Sprache durch die türkische Regierung, die Eröffnung albanischer Schulen, die Aufnahme von Albanern in die Gendarmerie; die Offiziere von in Albanien stationierten Einheiten sollten Albaner sein, die Albaner sollten ihren Militärdienst in Albanien ableisten dürfen und dieser auf zweieinhalb Jahre begrenzt sein, Albaner sollten in allen Rängen der türkischen Verwaltung und der lokalen Administration vertreten sein; die wirtschaftliche Entwicklung Albaniens sollte gefördert werden, besonders der Straßenbau; das Eindringen ausländischen Kapitals sollte dagegen eingeschränkt werden usw. Dieses Programm, obwohl für eine geheime Zusammenkunft vorbereitet, war so formuliert, daß es von K. im türkischen Parlament als Forderung aller Albaner vorgebracht werden konnte, was wahrscheinlich aber nicht geschah. Aus einigen Artikeln in der Zeitung „Drita“ wird ersichtlich, daß K. auch der Gedanke einer Balkanföderation nicht fremd war, gleichzeitig aber, daß er einsah, daß es dazu wegen der gegen die territoriale Integrität des albanischen Siedlungsgebietes gerichteten Politik der Balkanstaaten nicht kommen würde. 1909 besuchte K. verschiedene Orte Südalbaniens, wo er eine lebhafte politische Aktivität entfaltete. 1910-1912, in der Zeit der jungtürkischen Zwangsmaßnahmen, agitierte K. trotz seiner angegriffenen Gesundheit in Sofia und in Bukarest gegen die Jungtürken und die den Albanern feindlichen Bestrebungen der Großmächte und der Balkanstaaten.
1913, nach der Ausrufung der albanischen Unabhängigkeit, kam K. nach Valona, zog sich aber bald wieder, enttäuscht über die politische Situation in Albanien und wahrscheinlich auch über die Leute, die Ismail Qemals Umgebung bildeten, nach Sofia zurück, wo er bis 1915 blieb, die meiste Zeit krank an das Bett gefesselt. 1915 kehrte K. zu seiner Familie nach Istanbul zurück, wo er, abgeschnitten vom politischen Leben, 1919 starb.
Literatur
Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, PA Albanien XII („Albanische Zeitungen“ und „Albanische Notabein“).
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