Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Milutinović-Sarajlija, Sima
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Milutinović-Sarajlija, Sima

Milutinović-Sarajlija, Sima (Pseudonym Čubro Čojković), serbischer Dichter und Historiker, * Sarajevo 03.10.1791, † Belgrad 30.12.1847.

Leben

M.s Vater, der Handelsgeschäften nachging, verlegte 1793 den Wohnsitz seiner Familie von Sarajevo nach Belgrad, wo die Zustände unter Hacı Mustafa Pascha besonders günstig waren. 1799 wechselte die Familie nach Semlin (Zemun) auf habsburgisches Gebiet über. M. genoß im Zuge dieser Umsiedlungen eine unvollständige Ausbildung und besuchte Schulen in Belgrad, Semlin, Szegedin und Karlowitz (Sremski Karlovci). 1809 begab er sich nach Serbien, nahm an den Kämpfen Karadjordjes gegen die Türken an der Drina teil und war anschließend Schreiber beim 1805 eingerichteten Regierenden Rat (Praviteljstvujušči sovjet) in Belgrad. 1813 kämpfte er wieder an der Drina, befand sich jedoch beim serbischen Zusammenbruch im Oktober 1813 gerade auf einer Reise nach Temeschwar. Nach einer von Sava Tekelija organisierten geheimen Zusammenkunft mit Karadjordje in Arad reiste M. nach Wien, um dessen Freilassung zu erwirken. 1814 beteiligte er sich an den Vorbereitungen zum zweiten serbischen Aufstand, kämpfte in den Bergen von Cer sowie an der Drina und nahm dann wieder seinen alten Posten ein. 1816 besuchte M. seine 1813 nach Rußland geflüchteten Eltern und hielt sich anschließend in Vidin auf, wo er unter dem Verdacht, mit griechischen Verschwörern in Verbindung zu stehen, verhaftet wurde. 1819 ließ er sich in Kišinev (Bessarabien) nieder und lebte dort mit russischer Unterstützung bis zum Jahre 1825. Danach reiste er nach Leipzig, um die von Miloš Obrenović finanzierte Drucklegung seines in dieser Zeit entstandenen Epos’ „Serbijanka“ (Die Serbin) zu überwachen. Hier in Leipzig wurde er u. a. mit Jacob Grimm, Herder, Uhland sowie Goethe bekannt und sorgte auch für die Weitergabe des serbischen Volksliedgutes. 1827 wurde M. von Fürst Miloš Obrenović nach Serbien zurückgerufen, er überquerte jedoch von Kotor aus, wo man ihm seine Papiere und Bücher beschlagnahmt hatte, am 28. September heimlich die österreichische Grenze und begab sich nach Montenegro. In Cetinje war er als Sekretär des Bischofs Petar I. Petrović Njegoš sowie als Erzieher dessen Neffen Rade, des späteren Petar II. Petrović Njegoš tätig. Im Frühjahr 1831 kehrte er nach Serbien zurück, bekleidete in der Folge die verschiedensten Posten in der Verwaltung, war zuständig für die Beziehungen zu Montenegro und fungierte auch als Historiograph von Miloš, auf dessen Geheiß er die Geschichte des zweiten serbischen Aufstandes verfaßte und zu deren Drucklegung er 1836-1839 erneut in Leipzig weilte. 1840 mußte M. im Zuge der Verfassungskämpfe das Land kurz verlassen, da er als Anhänger der Verfassungsverteidiger dem Gericht und den Volksversammlungen, deren Wirkungskreis er sich ganz im Geiste der alten patriarchalischen Ideen der Selbstverwaltung vorstellte, größte Bedeutung zumaß und in deren Interesse an der Ausarbeitung von Verfassungsentwürfen beteiligt gewesen war. Zuletzt war er Sekretär des Bildungsministers Jovan Sterija Popović und Appellationsrichter. Im literarischen Bereich ist M. durch Gedichte, Epen und Dramen hervorgetreten, weiters sind seine historischen und volkskundlichen Werke bemerkenswert. 1810 begann er mit der Abfassung von Gedichten; eine Sammlung hiervon findet sich in dem 1827 in Leipzig erschienenen Werk „Zorica“ (Morgenröte). Später schrieb er meist Gelegenheitsgedichte, die er Freunden oder Führern der serbischen Aufstände widmete. Viele der Dichtungen waren allerdings den Zeitgenossen auf Grund der allegorischen Darstellung schwer verständlich und auch sprachlich nicht leicht zu bewältigen. Bekannter sind M.s drei große Epen - „Serbijanka“ (Die Serbin, 1826), „Trojesestarstvo“ (Die drei Schwestern, 1837) und „Trojebratstvo“ (Die drei Brüder, 1844) - die auch gutes Material zu den serbischen Freiheitskämpfen enthalten. Im Mittelpunkt der „Serbijanka“ steht die Person Karadjordjes; „Trojesestarstvo“ beinhaltet den zweiten Aufstand, hier steht Fürst Miloš im Zentrum; „Trojebratstvo“ besingt die Aufstandsführer Hajduk Veljko Petrović und Ivo Knežević. Die drei Werke erweisen sich insgesamt als stark beeinflußt von der deutschen Epik zu Ende des 18. Jh.s, sind aber infolge der Verwendung des Zehnsilbers, sprachlicher Holprigkeit und der Vermengung von volkssprachlichen mit kirchenslawischen Elementen schwer zu lesen. M. hat weiters zwei Dramen verfaßt - „Tragedija Obilić“ (Die Tragödie Obilić, 1837) und „Dika Crnogorska“ (Montenegros Ruhm, 1835), - in denen er der Volkstradition gerecht wird. Das erste Werk behandelt die Tragödie auf dem Amselfeld 1389, das zweite ist eine Geschichte Montenegros von der Schlacht von Kosovo bis in die Zeit Danilos I. Petrović Njegoš und blieb unvollendet. Dauerhaften Wert besitzen die Arbeiten M.s aus dem Bereich der Geschichte und Volkskunde. Das bedeutendste historische Werk ist die „Istorija Serbije od početka 1813 do konca 1815 godine“ (Geschichte Serbiens von Anfang 1813 bis Ende 1815, 1837), die als wertvolle Chronik dieser Zeit anzusehen ist. Einige historische Dokumente enthält die „Istorija Cerne Gore od iskoni do novijega vremena“ (Geschichte Montenegros von den Anfängen bis in die neuere Zeit, 1835). Für das Gebiet der Volkskunde ist zu nennen die Sammlung montenegrinischer und herzegowinischer Volkslieder „Pjevanija cernogorska i hercegovačka“ (1833). Zu Beginn des 19. Jh.s als bedeutendster serbischer Literat eingeschätzt, hat die Kritik M. später jedes Talent abgesprochen. Er ist aber dennoch als wichtiger Vertreter der serbischen Vorromantik und als Schöpfer wertvoller Werke zur zeitgenössischen Geschichte anzusehen, der mit seinen historischen Werken den Grund zu einer nationalen pragmatischen Geschichtsschreibung legte.

Literatur

Vulović, Svetislav: Sima Milutinović Sarajlija, pesnik srpski. In: God. Nikole Čupića 2 (1878) 280-348.
Djordjević, Djordje S.: Sima Milutinović (Sarajlija). Beograd 1893.
Pavlović, Stevan: Sima Milutinović Sarajlija. Život, radnja i slika mu. In: Letop. Matice srpske 173 (1893) 38-67, 174 (1893) 58-106, 175 (1893) 34-78, 176 (1893) 26-45.
Mladenović, Ranko: Naš najveći romantičar prošloga veka Sima Milutinović. Beograd 1939.
Nedić, Vladan: Život Sime Milutinovića sa osvrtom na njegova književna dela. Beograd 1939.
Ders.: Sima Milutinović Sarajlija. Beograd 1959.
Milićević, Jovan: „Usta-vobraniteljska“ ideologija Sime Milutinovića Sarajlije. In: Zborn. filoz. Fak., Beograd 10 (1968) 1, 381-396.

Verfasser

Manfred Stoy (GND: 1125126671)


GND: 119040638

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Empfohlene Zitierweise: Manfred Stoy, Milutinović-Sarajlija, Sima, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 220-221 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1374, abgerufen am: (Abrufdatum)

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