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Nikephoros I., byzantinischer Kaiser 802-811, † Vŭrbica-Paß (Bulgarien) 26.07.811.
Leben
N., unter seiner Vorgängerin Eirene „Finanzminister“ (logothetis tu geniku), kam durch eine Palastrevolution höherer Beamter und Offiziere am 31. Oktober 802 an die Macht. Das Reich befand sich in einer wenig erfreulichen Lage. N. sicherte sich die Macht durch die Verbannung seiner gegen ihn intrigierenden Vorgängerin und durch den Sieg über seinen Rivalen Bardanes Turkos (803), wonach er seinen Sohn Staurakios zum Mitkaiser krönen ließ. Den inneren Mißständen begegnete er mit energischen Maßnahmen: Abschaffung der unter Eirene eingeführten Steuererleichterungen, neue Veranlagung und Erhöhung der Steuern, Verschärfung der Steuereintreibung, Einführung des Staatsmonopols auf das Darlehensgeschäft bei FestSetzung eines hohen Zinsfußes, Einführung des Kriegsdienstes auch für Bauern, die nicht für die eigene Ausrüstung aufkommen konnten (auf Kosten der Dorfgemeinde), Gründung von Matrosengütern, Neukolonisation gefährdeter Gebiete, namentlich Verpflanzungen aus den kleinasiatischen Provinzen in die slawisierten Gebiete des europäischen Reichsteiles, besonders in Thrazien und Ostmazedonien, Einrichtung neuer Themen in Griechenland zur Rehellenisierung und administrativen Reorganisation. Obgleich der Bilderstreit durch das 7. allgemeine (2. nikäische) Konzil von 787 zugunsten der Bilderverehrung offiziell beendet worden war, wurde N. bald von den Zeloten des Bilderkults, den Mönchen, als unorthodox betrachtet, wohl vor allem deshalb, weil er die ihnen von Eirene eingeräumten Vorrechte aufhob und nach dem Tod des Patriarchen Tarasios (25. II. 806) nicht den Führer der mönchischen Partei, Theodoros Studites, sondern einen gelehrten Laien, den Regierungsbeamten Nikephoros, auf den patriarchalen Thron hob. Als der Kaiser sich auch noch über die kirchlichen Kanones stellte und die unkanonische Ehe des verhaßten Konstantin VI. mit der Hofdame Theodote nachträglich für gültig erklären und den exkommunizierten Einsegner dieser Ehe wieder in die Kirche aufnehmen ließ, brachen die Studitenmönche erneut mit der offiziellen Kirche. Außenpolitisch war N. trotz energischer Anstrengungen im Endeffekt nicht erfolgreich. Kurz bevor er die Macht übernahm, waren Gesandte Karls des Großen und Papst Leos III. eingetroffen, um Kaiserin Eirene einen Heiratsantrag Karls zu überbringen und so Osten und Westen wieder unter einem Kaiser zu vereinigen. Durch den Machtwechsel wurden nicht nur diese Pläne zunichte gemacht, sondern N. weigerte sich auch, Karls Anspruch auf den Kaisertitel anzuerkennen und verbot dem Patriarchen Nikephoros, bei seinem Amtsantritt dem Papst das übliche Synodalschreiben zuzusenden. Er konnte aber nicht verhindern, daß Karl weitere byzantinische Gebiete, namentlich Venedig, Kroatien und byzantinische Besitzungen in Dalmatien besetzte (810). Die Tributzahlungen an die Araber, durch die man 798 den Frieden erkauft hatte, stellte N. gleich nach Regierungsantritt ein, er mußte sie aber nach einem bedrohlichen Einfall Harun al Rashids (806), dem er nicht zu begegnen vermochte, wieder aufnehmen. Der Tod des Kalifen 809 führte jedoch bei den Arabern zu inneren Unruhen, die Byzanz in Kleinasien eine Atempause vergönnten. Eine weit größere Gefahr war inzwischen auf dem Balkan entstanden. In Bulgarien hatte 802 Khan Krum den Thron bestiegen, der seine Herrschaft auf Kosten des byzantinischen Staates erweitern zu können glaubte. Er eroberte und zerstörte im Frühjahr 809 die Festung Serdika (Sofia). N. schlug sofort zurück und drang bis zur bulgarischen Hauptstadt Pliska vor. Eine größere Expedition unternahm er dann nach längeren Vorbereitungen im Frühjahr 811. Ein Friedensgesuch des Khans lehnte er ab, da er die bulgarische Gefahr endgültig beseitigen wollte. Nach anfänglichen Erfolgen - er eroberte Pliska - wurde er bei der Verfolgung in den Bergen am Vŭrbica-Paß von Krum vernichtend geschlagen und fiel selbst in der Schlacht. Aus seinem Schädel ließ sich der Sieger einen Trinkbecher machen.
Kaiser N. war ein energischer und fähiger Herrscher. Freilich hinterließ er ein schweres Erbe: gegen die Araber hatte er nichts ausrichten können, auf dem Balkan drohte der siegreiche Krum, gegen Rückgabe der von ihm besetzten Gebiete konnte Karl der Große die Anerkennung seines Kaisertitels einhandeln, und im Innern kündigte sich eine neue Phase im Bilderstreit an; doch dürften trotz allem N.’ Reformen nicht wenig dazu beigetragen haben, daß das Reich diese Krisen überwinden konnte und noch im gleichen Jh. einen großen Aufschwung erlebte.
Literatur
Bury, John B.: A History of the Eastern Roman Empire from the fall of Irene to the accession of Basil I (A. D. 802-867). London 1912.
Dujčev, Ivan: Novi žitijni danni za pochoda na imp. Nikifora v Bŭlgarija prez 811 g. In: Spis. Bŭlg. Akad. Nauk. 54 (1937) 147-188.
Bratianu, Georges I.: La politique fiscale de Nicéphore I. In: Ders.: Études byzantines d’histoire économique et sociale. Paris 1938, 183-216.
Charanis, Peter: Nicephorus I, the Savior of Greece from the Slavs (810 A. D.). In: Byzantina Metabyzantina 1 (1946) 75-92. (= Ders.: Studies on the Demography of the Byzantine Empire. Collected Studies. London 1972, Nr. XIII).
Christophilopulu, Ekaterine A.: I ikonomiki ke dhimosionomiki politiki tu Avtokratoros Nikiforu I. In: Is mnimin Konstantinu I. Amantu, 1874-1960. Athen 1960, 413-431.
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Jenkins, Romilly J. H.: Byzantium. The Imperial Centuries AD 610-1071. London 1966, 117-126.
The Cambridge Medieval History. IV. The Byzantine Empire. 1. Byzantium and its Neighbours. Cambridge 1966, 90-99, 448, 489-490, 704, 707-708.
Kresten, Otto: Zur Echtheit des Sigillion des Kaisers Nikephoros I. für Patras. In: Römische historische Mitteilungen 19 (1977) 15-78. J. L. van Dieten
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