Plastiras, Nikolaos, griechischer General und Politiker, * Karditsa (Thessalien) 1884, † Athen 26.07.1953.
Leben
Als Soldat der regulären Armee schloß sich P. 1905 den griechischen Freischärlern in Mazedonien an, trat 1910 in die Offiziersschule ein, kämpfte als Oberleutnant in den Balkankriegen und stellte sich 1916 als Hauptmann der Gegenregierung von Venizelos in Saloniki zur Verfügung. Wegen besonderer Tapferkeit wurde er 1917 an der bulgarischen Front zum Oberstleutnant befördert, befehligte 1919 eine Evzonen-Abteilung auf der Krim und das Evzonenregiment 5/42 beim Feldzug in Anatolien. Im September 1922 organisierte er zusammen mit Stilianos Gonatas unter den zurückflutenden Truppen auf der Insel Chios ein Revolutionskomitee, das die Abdankung König Konstantins I. zugunsten des Kronprinzen Georg erzwang. P. machte sich in der Folge verdient um die Reorganisation der zerrütteten Armee und um die Durchführung der 1917 von Venizelos erlassenen Agrarreformdekrete. Im Oktober 1923 schlug er den von Georgios Leonardopulos und Panajotis Gargalidis geführten und von General Ioannis Metaxas unterstützten Putschversuch nieder und ließ am 16. Dezember 1923 Wahlen zur Verfassunggebenden Nationalversammlung durchführen, an denen sich die Royalisten nicht beteiligten. König Georg II. mußte sich ins Exil begeben, sein Gegenspieler, jetzt Generalleutnant P., zog sich ins Privatleben zurück. Die darauffolgenden Beratungen in der Nationalversammlung endeten am 25. März 1924 mit der Errichtung der Republik mit Pavlos Kunturiotis an der Spitze.
Nach der Ausrufung der Diktatur durch General Pangalos (April 1926) wurde P. verhaftet und nach Italien ausgewiesen. Nach Pangalos’ Sturz (August 1926) konnte er zurückkehren und organisierte seinerseits am 6. März 1933 einen - von Venizelos offensichtlich begünstigten - Staatsstreich gegen die drohende Wiedererrichtung der Monarchie, die von Panajotis Tsaldaris betrieben wurde. Das Unternehmen schlug aber fehl, P. emigrierte nach Frankreich, und Tsaldaris ergriff am 10. März 1933 die Macht.
Von seinem Exil aus versuchte P. im März 1935, sich einem Putschversuch venizelistischer Offiziere anzuschließen, wurde aber durch die italienischen Behörden festgehalten. Auch nach der Machtergreifung von Metaxas (04.08.1936) gab P. seinen Kampf für die Republik nicht auf. 1939 formierte er in Paris ein „Komitee gegen die Diktatur“ (von Metaxas), bemühte sich aber nach dem italienischen Einfall in Griechenland im Oktober 1940, durch diplomatische Vermittlung zwischen Metaxas und Berlin das drohende Unheil für sein Vaterland abzuwenden. Während der Besatzungszeit Griechenlands versuchte er, durch seinen Vertrauten Komninos Piromaglu in der „Ethnikos Dimokratikos Ellinikos Sindesmos“ (EDES = Nationale Republikanische Griechische Liga, gegründet Ende September 1941) eine republikanische Widerstandsbewegung aufzubauen, die einen demokratischen Umbau der griechischen Gesellschaft herbeiführen sollte. Doch wurde diese Organisation unter Napoleon Zervas schließlich eine Stütze der Royalisten. In der Krise des Winters 1944, die am 4. Dezember zum Rücktritt Papandreus führte, wurde P. nach Athen zurückgerufen und vom Regenten Erzbischof Dimitrios Damaskinos am 3. Januar 1945 mit der Regierungsbildung beauftragt. Doch schon nach vier Monaten mußte P. am 9. April 1945 wegen der Veröffentlichung eines ihn scheinbar kompromittierenden Briefes aus dem Jahre 1941 zurücktreten, und Admiral Petros Vulgaris bildete eine Übergangsregierung. In P.’ Amtszeit wurde jenes Abkommen von Varkiza abgeschlossen, auf Grund dessen die linksorientierte „Ethnikon Apeleftherotikon Metopon“ (EAM = Nationale Befreiungsfront) zunächst den Widerstand gegen die Athener Regierung einstellte.
Im Bürgerkrieg ab 1946 war P. bestrebt, durch Denkschriften an die Regierung eine schnelle Beendigung zu erreichen. Anfang 1950 gründete er zusammen mit Immanuil Tsuderos die „Ethniki Proodevtiki Enosis Kentru“ (EPEK = Nationale Fortschrittliche Union). Sie wurde im März 1950 drittstärkste Partei, und P. bildete mit den Liberalen vom 15. April bis 18. August eine Koalitionsregierung. Bei den nächsten Wahlen gewann seine Partei noch mehr Mandate, so daß das gewohnte Zweiparteien-System durch eine Konstellation von drei Parteien abgelöst wurde. P. war vom 1. November 1951 bis zum 10. Oktober 1952 nochmals Ministerpräsident, aber sein sich rasch verschlechternder Gesundheitszustand hinderte ihn daran, seine Ziele zu verwirklichen. Der asketische Soldatentyp hat im Verlauf seines wechselvollen Lebens seine republikanischen Ideale hochgehalten, aber infolge seines langen Exils nicht die Massenbasis in der griechischen Bevölkerung gehabt, die die Restauration der Monarchie hätte verhindern können.
Literatur
Stratigakis, Jannis: Nikolaos Plastiras, o anthropos ke o Ellin. Athen 1952.
I ekstratia is tin Mikran Asian. Bd 7/1. Athen 1962, passim.
Peponis, Ioannis Anastasiu: Nikolaos Plastiras, sta gegonata 1909-1945. 2 Bde. Athen 1947/48, Saloniki 1964(2).
Richter, Heinz: Griechenland zwischen Revolution und Konterrevolution 1939-1946. Frankfurt 1973.