Uroš, serbischer Zar 1355- 1371, * 1336/1337, † 4. (?) 12. 1371, Sohn des Zaren Dušan und Jelenas, einer Schwester des bulgarischen Zaren Ivan Aleksandŭr.
Leben
Anläßlich der Zarenkrönung seines Vaters erhielt U. 1346 den Titel „Stefan Uroš, König aller Serben“, wurde also zum Mitherrscher, dem der Nordteil des Reiches unterstand, erhoben. Diesen Rang hat U. bis zum Tode Dušans nur formal ausgefüllt. Als er 1355 die Herrschaft antrat, erwies sich, daß seine jugendliche Persönlichkeit zu schwach war, sich die ehemaligen Kampfgenossen und Statthalter seines Vaters zu unterwerfen. Zudem bestritt ihm Simeon, ein Halbbruder Dušans, die Herrschaft, wurde jedoch vom serbischen Hochadel nicht akzeptiert, so daß er lediglich in einem Teil des eroberten byzantinischen Gebiets ein eigenes „Kaisertum“ errichtete. Auch die Mutter U.s und deren Bruder lösten byzantinische Gebiete aus dem Reichsterritorium und bildeten selbständige Herrschaften.
Die Landesherren des ehemaligen serbischen Königreiches erkannten die Oberhoheit U.s an, arbeiteten jedoch erfolgreich an der Festigung ihrer Selbständigkeit. Mehrere Jahre stand U. unter dem Einfluß des mächtigen Fürsten von Hum, Vojislav Vojinovic, der ihn u. a. in Kriege mit Dubrovnik (1359- 1362) hineinzog.
1360 heiratete U. Anna, eine Tochter des walachischen Fürsten Nicolae Alexandru, eine Ehe, die kinderlos blieb. Etwa um die gleiche Zeit gewann Župan Vukašin entscheidenden Einfluß auf den Zaren. Vukašin wird schon 1361 als eine der Hauptpersonen des serbischen Hofes in ragusanischen Quellen genannt, um 1364/1365 wurde er zum Despoten und 1365 zum König und Mitherrscher gekrönt. Im Besitze wichtiger Reichsteile und mit den großen Geschlechtern Serbiens versippt, machte sich Vukasin zum eigentlichen Herrn des Reiches. Seit 1366 urkundete er als König, mit demselben Jahr bricht die Reihe der von U. erhaltenen Urkunden ab - ein Hinweis auf die politische Entmachtung des Zaren. Im folgenden häufen sich die Belege für den Zerfall der Zentralgewalt. Deutliche Indizien sind die Belagerung der „zarischen Stadt“ Kotor (1369) durch die Balšiči, Herren der Zeta, und ein Krieg zwischen Vukasin und U., dieser in einer Koalition mit Fürst Lazar und Župan Nikola Altomanovic (1369/1370). Ob U. 1367/1368 im byzantinischen Thessaloniki lebte und ob dieser Aufenthalt als vorübergehendes Exil zu deuten wäre, läßt sich nicht mehr entscheiden. Als politisch passive Figur scheint U. seine letzten Jahre verbracht zu haben. Er starb mit 35 Jahren am 3. oder 4. Dezember 1371.
Eine Beurteilung U.s muß - abgesehen von seinem jungen Alter - davon ausgehen, daß sein Vorgänger die ethnisch-politische Gemeinschaft des serbischen Königreiches durch die übermäßige Expansion in byzantinisches Gebiet erstens in mehrfacher Hinsicht überbeansprucht und zweitens im konkret geographischen Sinne hinter sich gelassen hatte. Während die Bevölkerungsbewegungen nach Norden tendierten, verlagerte Dušan das politische Zentrum des Reiches immer stärker nach Süden. Nach dem Tode des großen Zaren wurde die expansive Kraft des serbischen Adels nach innen gelenkt und verursachte, aus der Bindung an eine starke Herrscherpersönlichkeit entlassen, die Verselbständigung der Landesherren mit den daraus resultierenden Diadochenkämpfen noch zu Lebzeiten U.s. Die unausgereifte Gestalt U.s war so dem Machtkampf der Magnaten ausgeliefert, was - analog byzantinischen Beispielen - zu einem Wechsel der Dynastie hätte führen können, der politischen Konstellation zufolge aber den Zerfall des Reiches zeitigte.
Als Herrscher, unter dem nach den triumphalen Erfolgen Dušans der Zusammenbruch des serbischen Großreiches erfolgte, wurde U. schon im 14. Jh. Gegenstand von Kritik und Apologie. Man stellte ihn als Spielball und schließlich als Opfer böser Ratgeber dar, woraus sich ein Märtyrerkult entwickelte, der 1642 durch die von Patriarch Pajsije verfaßte Vita in eine offizielle Heiligenverehrung überführt wurde. Schon 1583/1584 waren seine (authentischen?) Reliquien aufgefunden und vom Volk verehrt worden. 1705 überführte man sie in die Wojwodina, von dort 1942 nach Belgrad.
Die Legenden und Epen vom „schwachen und jungen“ Zaren U. sind zum Bestandteil des serbischen Geschichtsbewußtseins geworden, der aus epischer und hagiographischer Tradition in die Historiographie, die Literatur, auf das Theater und in die Malerei gelangte. Das U.-Motiv des 19. Jh.s band den Untergang des serbischen Imperiums - analog der Lazar- O^f/ic-Uberlieferung - an die simple Logik von menschlicher Schwäche und Verrat, und half dadurch, die Osmanenherrschaft zu überbrücken sowie ein auf den nationalen Tugenden basierendes romantisches Geschichtsbild zu rekonstruieren. Dieser Apologie hat erst Konstantin Jireček den Boden entziehen können.
Literatur
Jireček, Constantin: Die Beziehungen der Ragusaner zu Serbien unter Car Uroš und König Vlkašin (1355-1371). In: Sitzungsberichte der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, philos.- histor.-philolog. Classe, Jahrgang 1885, Prag 1886, 114-141.
Jireček: Bd 1.
Ostrogorski, Georgije: Serska oblast posle Dušanove smrti. Beograd 1965.
Mihaljčić, Rade: Prilog srpskom diplomataru. Povelje i pisma cara Uroša i kneza Vojislava upućene Dubrovniku. In: Pril. Knjiž., Jezik, Ist. i Folklor 39 (1973) 226-234.
Ders.: Kraj srpskog carstva. Beograd 1975.