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Vulgaris, Dimitrios, griechischer Politiker, * Insel Hydra 20.12.1802, † Athen 30.12.1877.
Leben
Als Sohn des Beys von Hydra bekam V. schon früh einen Sitz im Senat der Insel. Er zeichnete sich bei den Marineoperationen Hydras im Befreiungskampf an führender Stelle durch Mut und Umsicht aus. Bei den drei ersten Nationalversammlungen 1826, 1827 und 1829 nahm er als Bevollmächtigter seiner Heimatinsel teil. Nach der Ankunft des zum ersten Präsidenten gewählten Ioannis Kapodistrias in der provisorischen Hauptstadt Nau- plia (18.01.1828) wurde Hydra zum Zentrum einer heftigen Opposition, der gallophile und anglophile Politiker wie Alexandros Mavrokordatos, Spiridon Trikupis und Ioannis Kolettis ebenso angehörten wie der namhafte Revolutionsadmiral Andreas Miaulis Nach Ausbruch eines Aufstandes wurde Hydra Sitz einer autonomen Regierung. An den militärischen und politischen Beratungen hatte V. bedeutenden Anteil. Die Bewegung endete zwar mit einem Vergleich, darf aber als zeichenreiches Vorspiel für die Ermordung Kapo distrias (1831) gelten. In dem zweiten, von den drei Schutzmächten eingesetzten Regierungskomitee wurde V. Marineminister.
Nach dem Eintreffen König Ottos I. und der Errichtung der bayerischen Monarchie (1832) zog sich V. von seinem Amt zurück und blieb nur Bürgermeister von Hydra. Erst nach den erzwungenen Verfassungsmodifikationen von 1843 übernahm er wieder das Marineministerium (1847 in der Regierung Kolettis). In der nachfolgenden Regierung von Konstantinos Kanaris wurde er Finanzminister (13.10. 1848-17.04.1849), wurde vom König jedoch eigenmächtig wieder abgesetzt. Am 29. September 1855 bildete V. eine anglophile Regierung, die in einigem Gegensatz zum Palast stand. Der Aktionsstil des Palastes (Intrigen, Übergriffe) ließ diese Meinungsdifferenz zur prinzipiellen werden, und am 13. November 1857 trat V. unter Protest zurück, da die bayerische Dynastie der Nachfolgeregelung entbehrte und die Verfassungsartikel von 1843 bezüglich einer konstitutionellen Monarchie systematisch überging. Seine Radikalität und sein unbeugsamer Charakter machten V. rasch zum Führer einer antimonarchistischen Bewegung, die in der Nacht vom 3. auf den 4. Februar 1862 in den Aufstand von Nauplion mündete, der noch niedergeschlagen werden konnte. Als aber das Königspaar am 1. Oktober 1862 einen Sympathiefeldzug für die Dynastie in die Peloponnes antrat, brach die Revolution aus (10.10.), und Otto I. wurde des Landes verwiesen. Als aktives Zentrum dieser Bewegung, die von allen bedeutenden Politikern unterstützt wurde, erhielt V. einen Platz im provisorischen Dreierausschuß (zusammen mit Konstantinos Kanaris und Venizelos Rufos), der das Interregnum bis zum Eintreffen König Georgs I. am 17. Oktober 1863 bildete. Zwischen V. und dem sich auf das Militär stützenden Kanaris kam es zu Differenzen, die am 20. Juli 1863 zu Straßenkämpfen in Athen führten. Der neue Monarch betraute V. mit der Regierungsbildung, kurz darauf jedoch Kanaris. Vom 7. bis 10. November 1865 leitete V. wieder eine der für die damalige politische Instabilität charakteristischen Blitzregierungen. V. gelang die Landesverweisung des intriganten Königsberaters Graf Sponneck durchzusetzen. Nach Ausbruch der kretischen Aufstände 1866 vertrat V. eine offene Annexionspolitik in der kretischen Frage, was auf außen- und innenpolitische Schwierigkeiten stieß: die Koalitionsregierung von 1866 mußte zurücktreten; wegen Nichtanerkennung der in der Pariser Konferenz (28.12.1868) ausgehandelten Bestimmungen bezüglich der gespannten Beziehungen zur Türkei mußte auch seine nächste Regierung zurücktreten (25.01.1868 bis 25.01.1869). Auch die folgende Regierungsperiode (13.12.1871-8.07.1872) stand unter dem Zeichen des Gegensatzes zum König. In der letzten Amtsperiode als Ministerpräsident (9.02.1874-27.04.1875) unterlief ihm ein folgenschwerer Fehler: bei den Parlaments wählen vom 25. August 1874 gewann seine Partei die Mehrheit, ohne aber legislativ beschlußfähig zu sein. V. setzte sich darüber hinweg. Am 16. Dezember 1875 trat ein Sondergerichtshof zusammen, und V. wurde wegen Mißbrauchs der Staatsgewalt angeklagt. Der Prozeß begann am 19. April 1876, wurde aber sogleich auf den 20. Oktober d. J. vertagt und verlief im Sande. Ein Jahr später starb V. als einer der großen Unbequemen in der griechischen Politik des 19. Jh.s.
Literatur
Evangelidis, Triphon E.: Ta meta tu Othona, itoi. Istoria tis Mesovasileias kai tis Vasileias Georgiu tu A’ (1862-1898). Athen 1898.
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