Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Windisch-Graetz, Alfred Fürst zu
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Windisch-Graetz, Alfred Fürst zu

Windisch-Graetz, Alfred Fürst zu, österreichischer Feldmarschall, Brüssel 11.05.1787, † Wien 21.03.1862, Sohn des Grafen Joseph Niklas W. aus dessen zweiter Ehe mit Leopoldine Gräfin von Ahrenberg.

Leben

Im Jahre 1804 trat der soeben zum Reichsfürsten erhobene W. in den Dienst der österreichischen Armee, in der er 1814 zum Oberst, 1826 zum Generalmajor und 1840 zum Feldmarschalleutnant und kommandierenden General in Böhmen aufstieg. Sein energisches Vorgehen gegen die sozialen Unruhen in Böhmen 1844 offenbarte ihn der Öffentlichkeit bereits als einen standesbewußten und stockkonservativen Repräsentanten des Hochadels, der nicht davor zurückscheute, die herrschende Ordnung notfalls auch unter Einsatz militärischer Mittel zu verteidigen. Der bei der Bevölkerung nunmehr gefürchtete, bei der Dynastie und Regierung aber hoch geschätzte W. weilte zufällig bei Ausbruch der Revolution am 13. März 1848 in Wien, wo ihn die „kopflos“ gewordene Regierung nach dem Sturze Metternichs, den W. vergeblich zu verhindern suchte, mit diktatorischen Vollmachten zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung betraute. Doch vermochte W. seinen Kurs der Unterdrückung aller revolutionärer Forderungen in der Hofburg nicht durchzusetzen und kehrte bald nach Ernennung der neuen Regierung Kolowrat nach Prag zurück. Dort kamen die Spannungen im Gefolge des Slawenkongresses am 12. Juni 1848 zum offenen Ausbruch. Die Niederwerfung des Aufstandes von Prag bis zum 17. Juni unter der umsichtigen Führung von W. bedeutete den ersten militärischen Sieg über die revolutionäre Volksbewegung des Jahres 1848, politisch das Ende vom Traum einer böhmisch-tschechischen Autonomie im Habsburgerreich, in dem zugleich dem vom aufgelösten Slawenkongreß beschworenen Panslawismus vorerst die Grundlage entzogen war. Sein Erfolg sicherte W. einen immer stärkeren Einfluß auf den kaiserlichen Hof, bei dem er die Thronablösung vorzubereiten begann. Nach Ausbruch der Wiener Oktoberrevolution eilte W. ins kaiserliche Hoflager zu Olmütz; das kaiserliche Manifest vom 16. Oktober 1848 verkündete die W. bereits seit Juni insgeheim zugesicherten außerordentlichen Vollmachten für die Wiederherstellung des Friedens im ganzen Reich und ernannte ihn zum Feldmarschall, dem alle Truppen mit Ausnahme der Armee Radetzkys unterstellt wurden. Entschlossen, mit Waffengewalt die revolutionäre Bewegung andgültig zu vernichten, marschierte W. nach Wien und belagerte die unter Kriegsrecht gestellte Stadt, nachdem sie seine Aufforderung zur Unterwerfung abgelehnt hatte. Die unter Feldmarschalleutnant János Móga und dessen Generalstabschef Artúr Görgey bis nach Schwechat herangerückte ungarische Armee, die auf Drängen Kossuths das revolutionäre Wien zu befreien suchte, warf W. mit Unterstützung der kroatischen Truppen des Banus Jelacic am 30. Oktober siegreich zurück, um sodann am nächsten Tag Wien im Sturm zu erobern. Von seinem im Schloß Schönbrunn aufgeschlagenen Lager ging W. nun als mächtigster Mann im Reich daran, in Verbindung mit der anfänglich stark von ihm beeinflußten neuen Regierung seines Schwagers, Fürst Felix Scharzenberg, das politische Leben der Monarchie im Sinne der Gegenrevolution auf eine neue Grundlage zu stellen. Nach dem von ihm betriebenen Thronwechsel vom 2. Dezember, demzufolge auf Ferdinand I. jetzt Franz Joseph I. folgte, rückte W. am 16. Dezember an der Spitze dreier Heeressäulen mit insgesamt rund 130000 Mann in das revolutionäre Ungarn ein. Infolge des geringen Widerstandes von seiten der Armee Görgeys erreichte W. bereits am 5. Januar 1849 Ofen. Mit der allseits gefeierten Besetzung der ungarischen Hauptstadt glaubte W. Ungarn ganz bezwungen zu haben. Daher unterließ er es, bis nach Debreczin, dem Sitz der Revolutionsregierung vorzustoßen, auch als die für ihn erfolgreiche Schlacht von Kápolna (26./27. II.) über die ungarische Hauptarmee unter Dembinski eine letzte Gelegenheit dazu bot. Dieser folgenschwere Fehler W.s brachte die entscheidende Wendung. Denn inzwischen war es Görgey gelungen, durch einen meisterhaften Rückzug über die oberungarischen Bergstädte sich mit der Hauptmacht hinter der Theiß zu vereinigen und zum Stoß gegen W. auszuholen. Abgelenkt in zu großem Maße durch politische Angelegenheiten: von dem von W. mit Eifer betriebenen Aufbau einer königstreuen Verwaltung in Zusammenarbeit mit den ungarischen Altkonservativen György Majláth, László Szögyény-Márich u.a., deren Pläne einer Restauration der alten ungarischen Ständeverfassung in modernisierter Form die Zustimmung von W. fanden, ferner die Ungewißheit über die ungarischen Kriegspläne drängten W. rasch in die Defensive. Das vorrückende ungarische Hauptheer unter Görgey schlug die kaiserlichen Truppen unter der nun unsicheren und zögernden Führung W.s bei Isaszeg (6. IV.) und zwang damit W. zum Rückzug nach Pest und nach dem Verlust von Waitzen (10. IV.) weiter nach Komorn, womit W. einen Entsatz der von ihm belagerten Festung durch Görgey zu verhindern suchte. Mitten in dieser Operation erreichte W. am 14. April der kaiserliche Befehl (vom 12. IV.), von seinem Kommando zurückzutreten und sich nach Olmütz zu begeben. Der eigentliche Urheber dieses Befehls, Schwarzenberg, war auf Grund wachsender Kritik in seinem Kabinett und nicht zuletzt durch die von W. am 24. März beantragte Russenhilfe, die offen die Ratlosigkeit des Feldmarschalls bezeugte, zu der Gewißheit gekommen, daß dieser seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen war. Zutiefst enttäuscht zog sich W. weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurück. Auch die vom Hof ihm zugedachten Ehrungen als Retter der Monarchie wie der Dynastie im Schicksalsjahr 1848 söhnten W. mit seinem als unverdient empfundenen Sturz nie mehr aus. Sein auch weiterhin großes Ansehen als Führer des konservativen Hochadels, als der er 1861 ins Herrenhaus berufen wurde, setzte W. bis zu seinem Tod - obgleich erfolglos - für eine Wiederherstellung der alten Adelsprivilegien vor allem im Kampf gegen die Grundentlastung ein.

Literatur

Müller, Paul: Feldmarschall Fürst Windischgrätz. Wien, Leipzig 1934.
Kiszling, Rudolf: Die Revolution im Kaisertum Österreich 1848/49. 2 Bde. Wien 1948.
Hauptmann, Ferdinand: Banus Jellačić und Feldmarschall Fürst Windisch-Grätz. In: Südost-Forsch. 15 (1956) 372-402.
Walter, Friedrich: Von Windischgrätz über Weiden zu Haynau. In: Ders. u. Harold Steinacker: Die Nationalitätenfrage im alten Ungarn und die Südostpolitik Wiens. München 1959, 68-161.
Spira, György: A magyar forradalom 1848-49-ben. Budapest 1959.
Borus, József: Dembiński fővezérsége és a kápolnai csata. Budapest 1975.

Verfasser

Gerhard Seewann (GND: 1069961280)

GND: 118633651

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118633651.html


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Empfohlene Zitierweise: Gerhard Seewann, Windisch-Graetz, Alfred Fürst zu, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 467-469 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1878, abgerufen am: (Abrufdatum)

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