Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Dessewffy

Dessewffy, ungarisches Adelsgeschlecht, dessen erstes bekanntes Mitglied Deziszló in der Schlacht von Mohi gegen die Tataren (1241) die ungarische Fahne rettete. Die Familie stammt aus Slawonien (Komitat Pozsega), wo sie die Burg Csernek (Cernik) besaß. Dieser Besitz ging in der Türkenzeit verloren. Der unten behandelte Zweig der Familie wurde 1756 in den Freiherrn- und 1775 in den Grafenstand erhoben. Miklós D. lief während des Spanischen Erbfolgekrieges 1705 auf Befehl von Fürst Ferenc II. Rákóczy zu den Franzosen über und begründete den französischen Zweig der Familie; sein Sohn war der französische General (maréchal de camp) Jacques-Charles-Marie (Károly Mária) D. (1720-1785). Aus dem adeligen Zweig der Familie ist auch Arisztid D., einer der 13 von den Österreichern am 6. Oktober 1849 hingerichteten Honvédgeneräle zu nennen.

Leben

József D., Graf, ungarischer Politiker und Schriftsteller, * Krivány (Komitat Sáros) 10.02.1771, † Pest 1.05.1843, studierte in Pest, nahm 1795 als adeliger Insurgent am Krieg mit Frankreich teil und zog sich anschließend nach dem Frieden von Campoformido auf seine Güter zurück. Von 1802 an in sämtliche Reichstage gewählt, wurde er eines der angesehensten Mitglieder der Ablegatentafel. Als Mitglied einer Expertenkommission (1830) setzte er sich mit allem Nachdruck für die Pressefreiheit ein (Über Pressefreiheit und Büchercensur, Leipzig 1831). Von politischer Relevanz war seine mit dem Grafen István Széchenyi geführte Diskussion, dessen Reformvorstellungen er für schädlich und umstürzlerisch hielt. Seine Erwiderung auf Széchenyis Buch „Hitel“ (A „Hitel“ czímű munka taglalatja, Kaschau 1831) wies ihn als Exponenten des konservativ gesinnten Adels aus. József D. gründete 1825 die Zeitschrift „Felsőmagyarországi Minerva“ (Oberungarische Minerva, bis 1833), mit deren Hilfe er Kaschau zu einem Mittelpunkt der ungarischen Literatur machen wollte. Er und der mit ihm eng befreundete Dichter Ferenc Kazinczy waren die Hauptmitarbeiter der Zeitschrift; er selbst schrieb darin zahlreiche Artikel über Geschichte, Linguistik und Nationalökonomie. József D. beteiligte sich 1825 auch an der Gründung der „Ungarischen Akademie der Wissenschaften“, deren Direktionsmitglied er wurde.
Aurél D., Graf, ungarischer Politiker und Publizist, * Nagymihály (Komitat Zemplin) 27.07.1808, † Pest 9.02.1842, Sohn von József D., studierte Rechtswissenschaften in Kaschau und wurde Konzipist an der ungarischen Hofkanzlei in Wien und 1832 Gubernialsekretär in Ofen. Von 1833 an entfaltete er im Komitat Zemplin eine rege politische Tätigkeit, bei der er die Reformbestrebungen von Graf István Széchenyi und Lajos Kossuth bekämpfte und für die Notwendigkeit der Gründung einer gemäßigten - d. h. für manche Reformen aufgeschlossenen - konservativen Partei eintrat. 1840 wurde Aurél D. Gubernialrat. Seine Versuche, als Ablegat in den Reichstag zu gelangen, schlugen infolge der Unpopularität jedweden konservativen Gedankengutes in Ungarn fehl. Auf dem 1839/1840er Reichstag nahm er als Magnat teil und führte die konservative Partei an. Um den Kossuthschen Reformforderungen wirksamer entgegentreten zu können, stimmte er 1841 in die zwischen diesem und dem Grafen Széchenyi verbittert geführte Polemik ein und machte die einige Monate zuvor gegründete Zeitung „Világ“ (Welt) zu seinem Sprachrohr. Die darin fast ausschließlich von ihm verfaßten Leitartikel veröffentlichte er auch gesondert (X. Y. Z. könyv, Pest 1841). Doch kurz darauf starb Aurél D. Die Konservativen verloren mit ihm den einzigen, der - Graf Széchenyi und Kossuth geistig ebenbürtig - ihre Sache mit Aussicht auf Erfolg hätte vertreten können.
Emil D., Graf, ungarischer Politiker und Nationalökonom, * Eperjes 16.02.1812, † Preßburg 10.1. 1866, Sohn von József D. und Bruder von Aurél D., studierte Rechtswissenschaften in Kaschau, verwaltete dann das väterliche Gut in Büdszentmihály (Komitat Szabolcs) und begann sich mit Politik erst nach dem Tode seines Bruders Aurél D. zu beschäftigen. Die Zeitschrift „Világ“ ging 1844 am mangelnden Interesse der Öffentlichkeit ein. Emil D. gründete die Zeitschrift unter dem Namen „Budapesti Híradó“ (Budapester Nachrichten) neu und versuchte sie im Sinne seines verstorbenen Bruders weiterzuführen. Besonders volkswirtschaftliche Fragen interessierten ihn, und er drängte - wie Graf Széchenyi - zur Ablösung der Urbariallasten, der Aufhebung der Steuerfreiheit des Adels und der Gründung von Kreditinstituten. Er engagierte sich während der 1848/1849er Revolution für keine Seite, und das schien ihm berechtigte Hoffnung zu geben, vermittelnd zwischen seinem Land und der Krone aufzutreten. 1850 und 1857 verfaßte er Memoranden an Kaiser Franz Joseph I., in denen er den Monarchen zu überzeugen versuchte, die bis 1847 gültig gewesene alte ungarische Verfassung wiederherzustellen. 1857 beteiligte sich Emil D. an der Neuorganisierung des „Ungarischen Landwirtschaftsvereins“ (Országos Magyar Gazdasági Egyesület = OMGE); er war auch einer der Gründer der „Bodenkreditanstalt“ (Országos Földhitelintézet). 1855 wählte ihn die Akademie zu ihrem Präsidenten. Nach dem verlorenen italienischen Krieg war wiederum er derjenige, der mit Eingaben an die Regierung sich für die Lösungsvorstellungen der Konservativen einsetzte. Das Zustandekommen des Oktoberdiploms 1860 war ebenfalls sein Verdienst. Im Frühjahr 1861 wurde Emil D. von einem Preßburger Wahlbezirk in den Reichstag geschickt, wo er sich der „Adreßpartei“ anschloß. 1865 wurde er wiedergewählt, doch er starb noch vor der Eröffnung des Reichstages.
Die gesammtelten Werke von Graf Aurél D. wurden 1887, die von Graf József D. 1888 von József Ferenczy herausgegeben.

Literatur

Kecskeméthy, Aurél (u. d. Pseudonym Aranyos Kákay): Licht- und Schattenbilder zur Charakteristik des ungarischen Landtags. Pest 1867.
Ferenczy, József: Gróf Dessewffy József életrajza. Budapest 1897.
Éble, Gábor: A cserneki és tarkeői Dessewffy család. Genealógiai tanulmány. Budapest 1903.
Lukács, Lajos: Magyar függetlenségi és alkotmányos mozgalmak 1849-1867. Budapest 1955.

Verfasser

Adalbert Toth (GND: 107959593)


GND: 130412740

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Empfohlene Zitierweise: Adalbert Toth, Dessewffy, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 395-397 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=728, abgerufen am: (Abrufdatum)

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