Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Gafencu, Grigore
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Gafencu, Grigore

Gafencu, Grigore, rumänischer Publizist und Staatsmann, * Bukarest 30.01.1892, † Paris 31.1.1957.

Leben

Nach dem Rechtsstudium in Genf und der Promotion an der Sorbonne betätigte sich G. vornehmlich als Publizist, in dessen Eigenschaft er die Zeitschrift „Revista Vremii“ (Zeitspiegel) und die Presseagentur „Orient Radio“ gründete und leitete, sowie gleichzeitig Leiter des Wirtschaftsblattes „Argus“ und der in großer Auflage erscheinenden politischen Zeitung „Timpul“ (Die Zeit) war.
Seine politische Tätigkeit begann G. als Mitglied der „Nationalen Bauernpartei“. Im ersten Kabinett Iuliu Manius (1928-1930) war G. zuerst Generalsekretär im Außenministerium (1929), dann Unterstaatssekretär im Ministerium für öffentliche Arbeiten und Verkehr (14.11.1929-17.06.1930) und anschließend Unterstaatssekretär im Ministerpräsidium (17.06. - 10.10. 1930). In den vier Kabinetten, die zwischen 1932 und 1933 abwechselnd von Iuliu Maniu und Alexandru Vaida-Voievod geleitet wurden, war G. Unterstaatssekretär im Außenministerium (9.06.-21.10. 1932) und Unterstaatssekretär im Wirtschafts- und Industrieministerium (14.06.-14.11.1933).
Überzeugt von den politischen Fähigkeiten G.s, ernannte König Karl II. G. zum Außenminister. Dieses Amt bekleidete G. vom 23. Dezember 1938 bis 31. Mai 1940 unter sämtlichen sich ablösenden Regierungen unter dem Vorsitz von Miron Cristea, Armand Călinescu, Gheorghe Argeşeanu und Gheorghe Tătărescu sowie während der Königsdiktatur. Nur für eine kurze Zeit übernahm er vorübergehend 1939 das Propagandaministerium.
Als Außenminister war G. bestrebt, Rumänien aus den Kriegswirren herauszuhalten und die Fortführung der rumänischen Außenpolitik in einem System kollektiver Abwehr sicherzustellen. Das Münchner Abkommen vom 30. September 1938 hatte Rumäniens Lage in der internationalen Politik geschwächt, da es Deutschland freie Hand gewährte und das Beispiel der Tschechoslowakei auch auf Rumänien hätte angewandt werden können. Um den Mißmut der deutschen Reichsregierung über die Ermordung Corneliu Zelea Codreanus abzuschwächen, Unterzeichnete G. den Handelsvertrag vom 23. März 1939, der eine Zusammenarbeit des Deutschen Reiches und Rumäniens auf allen Gebieten der Produktion und des Warenaustausches vorsah.
Am 13. April 1939 boten Großbritannien und Frankreich Rumänien eine einseitige Garantie an, für den Fall, daß die Unabhängigkeit Rumäniens gefährdet würde und die rumänische Regierung die Zeit für gekommen erachtete, bewaffneten Widerstand zu leisten. Im Frühjahr 1939 unternahm G. Reisen nach Berlin, Brüssel, London, Paris, Ankara und Athen, um das Handelsabkommen mit Deutschland und die britischfranzösischen Garantien zu erläutern sowie die Balkan-Entente zu festigen. Bei Gesprächen in Bukarest am 8. Mai 1939 mit dem stellvertretenden Außenminister der UdSSR Vladimir Potemkin versuchte G. eine Entspannung in den rumänisch-sowjetischen Beziehungen zu erreichen.
Nach dem deutschen Angriff auf Polen wollte G. die politische Handlungsfreiheit durch die Festigung der Balkan-Entente retten und verschaffte polnischen Flüchtlingen - unter ihnen dem Staatspräsidenten Ignacy Mościcki - über Rumänien die Fluchtmöglichkeit nach Frankreich. Auf der Balkankonferenz in Belgrad wurde am 2. Februar 1940 ein gemeinsamer Abwehrplan ausgearbeitet, und der rumänische Kronrat beschloß am 19. April 1940 sowohl gegenüber Deutschland als auch gegenüber der UdSSR die bewaffnete Abwehr. Der von König Karl II. auf der folgenden Kronratssitzung am 29. Mai 1940 unterstützte Verzicht auf G.s Balance- und Neutralitätspolitik hatte dessen Rücktritt zur Folge.
Vom 10. August 1940 bis zum Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges war G. rumänischer Botschafter in Moskau, wo er sich vergeblich um eine Entspannung zwischen den beiden Ländern bemühte. Im Exil nahm er 1947 an den Pariser Friedensverhandlungen als Vertreter der nationalen Opposition teil. Als Mitglied der „Académie de Droit International“ (1938) und des Exekutivbüros der europäischen Föderation nahm G. am Kongreß der „Europäischen Bewegung“ in Den Haag (7.05.1948) sowie an der Konferenz der „Europäischen Bewegung“ in Brüssel (27. bis 30.04.1949) teil. Er hielt Vorträge an amerikanischen Universitäten und Colleges und Unterzeichnete am 11. Februar 1951 im „Independence Hall“, Philadelphia, die „Déclaration des buts et principes de la libération des peuples de l’Europe du Centre et de l’Est“. In seinen publizistischen Beiträgen in mehreren westeuropäischen Zeitungen trat er für eine europäische Gemeinschaft ein, die den ganzen Kontinent erfassen und zu einer friedlichen Koexistenz mit der Sowjetunion führen sollte.
Zu G.s bedeutenderen Veröffentlichungen zählen: „Derniers jours de l’Europe. Un voyage diplomatique en 1939“ (Paris 1944), „Préliminaires de la guerre à l'est, de l’accord de Moscou (21 août 1939) aux hostilités en Russie (22 juin 1941)“ (Fribourg 1944), „Contre-offensive de paix“ (Paris 1953).

Literatur

Popişteanu, Cristian: România şi Antanta Balcanică. Bucureşti 1971.  

Verfasser

George Ciorănescu (GND: 130641340)


GND: 119475154

Weiterführende Informationen: https://prometheus.lmu.de/gnd/119475154

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Empfohlene Zitierweise: George Ciorănescu, Gafencu, Grigore, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 1-2 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=845, abgerufen am: (Abrufdatum)

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