Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Tătărescu, Gheorghe

Tătărescu, Gheorghe, rumänischer Politiker und Publizist, Craiova 22.12.1886, † Bukarest 28.03.1957.

Leben

T. promovierte 1912 an der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Paris mit der Arbeit „Le régime électoral et parlamentaire en Roumanie“. Als Staatssekretär im Innenministerium in der Regierung Ion (Ionéi) I. C. Brătianus (30.10. 1923-30.03.1926) machte er sich einen Namen durch die Bombardierung des Dorfes Tatar Bunar in Bessarabien, das unter dem Einfluß der Sowjetpropaganda gegen das Bukarester Regime gemeutert hatte. 1931 wurde T., bereits Führer der Jungliberalen, zum Generalsekretär der „National-liberalen Partei“ gewählt und 1936 wiedergewählt. Vom 14. November 1933 bis 3. Januar 1934 war er Handels- und Industrieminister im Kabinett Ion Gheorghe Duca und Constantin Angelescu und wurde nach der Ermordung Ducas zum Regierungschef ernannt. Während seiner ersten Regierung (5.01.1934-28.12.1937), in der er vorübergehend nacheinander auch das Ressort für Handel und Industrie, das Kriegs- und Rüstungsministerium sowie das Außen- und Innenministerium leitete, regierte T. vorwiegend mit Regierungserlassen, wobei er den Ausnahmezustand und die Zensur aufrechterhielt. Inzwischen begünstigte er die Verschärfung der Spaltung zwischen den um seine Person gescharten Jungliberalen und den Altliberalen um den Parteivorsitzenden Constantin (Dinu) Brătianu. Dabei unterstützte er getreu die Politik Karls II., die auf die Schwächung der Parteien hinzielte und die Diktatur des Monarchen vorbereitete. Durch seine Maßnahmen zur Unterstützung der einheimischen Industrie und zur Entlastung des Finanzkapitals, durch die Anwendung des Gesetzes zur Tilgung der Agrarschulden, durch Förderung des Staatskapitalismus usw. verbesserte T. während seiner Regierungszeit gleichzeitig die durch die Weltwirtschaftskrise stark angeschlagene Wirtschafts- und Finanzlage des Landes. In der Regierung des Patriarchen Miron Cristea bekleidete er vom 10. Februar bis zum 30. März 1938 den Posten eines Staatsministers und den des Außenministers. Am 30. März 1938 wurde er zum Kronrat ernannt, und in der Zeit vom Dezember 1938 bis September 1939 vertrat er Rumänien als Botschafter in Paris. Nach der Ermordung Armand Cdlinescus befand er sich vom 24. November 1939 bis 4. Juli 1940 wieder an der Regierungsspitze. In sein Kabinett nahm er sowohl frankophile Elemente, wie Grigore Gafencu als Außenminister, als auch deutschfreundliche Politiker, wie den Minister für öffentliche Arbeiten, Ion Giugurtu, auf. In seine Amtszeit fiel, nach dem Sowjetultimatum vom 26. Juni 1940, die Räumung Bessarabiens und der Nordbukowina. Ebenfalls seine Regierung war es, die am 1. Juli 1940 auf die englisch-französische Garantie verzichtete.
Im März 1943, zwei Tage nach der Wolga-Schlacht, schied T. mit einigen ehemaligen Bezirksgruppenleitern aus dem alten Vorstand seiner Partei aus und nahm die Verbindung zu den rumänischen Kommunisten auf, wobei es am 26. Mai mit diesen zu einer antifaschistischen Zusammenarbeit kam. Nach dem Staatsstreich vom 23. August 1944 stimmte er im Oktober dem Programm der „National-Demokratischen Front“ (FND) zu, und am 6. März 1945 trat er als Vizepräsident und Außenminister der Regierung Petru Grozas bei, wobei er in dieser ersten rumänischen Arbeiterregierung das liberale Bürgertum vertrat. Am 1. Juli 1945 berief er den Kongreß der „National-liberalen Partei“ ein und ließ sich anstelle Dinu Brătianus zum Parteivorsitzenden wählen. In einer aufsehenerregenden Rede behauptete er am 16. Dezember, daß die Sowjetunion die einzige Großmacht sei, die die Rechte des rumänischen Volkes vorbehaltlos vertrete. Am 17. Mai 1946 stimmte er der von der kommunistischen Partei ins Leben gerufenen „Plattform der demokratischen Parteien“ zu und schloß mit dem ebenfalls von der kommunistischen Partei geleiteten „Block der demokratischen Parteien“ ein Wahlbündnis. Am 13. August 1946 vertrat er auf der Pariser Friedenskonferenz als Vorsitzender der amtlichen rumänischen Delegation den Standpunkt der rumänischen Regierung. Am 6. November 1947 erteilte die Große Nationalversammlung der von ihm geführten Fraktion ein Mißtrauensvotum, worauf T. und seine Freunde aus der Regierung entfernt wurden, wo sie die letzten Vertreter des mit den Kommunisten kollaborierenden Bürgertums waren. Im Januar 1948 verlor er auch den Vorsitz der „National-liberalen Partei“, und im Mai 1950 wurde er zusammen mit den ehemals in Politik und Verwaltung führenden Persönlichkeiten des bürgerlichen Regimes verhaftet. 1955 aus der Haft entlassen, verbrachte er die beiden letzten Jahre seines Lebens als Vorsitzender des Ausschusses für die Repatriierung der Exilrumänen.
T. war Autor mehrer politischer Werke, wie: „Relele organice ale armatei noastre“ (Die organischen Lücken unserer Armee, 1913), „Pe drumul anarhiei“ (Auf dem Wege zur Anarchie, 1920), „Internationala III §i Basarabia“ (Die III. Internationale und Bessarabien, 1925) und „Bessarabie et Moscou“ (1926).

Verfasser

George Ciorănescu (GND: 130641340)


GND: 119524856

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Empfohlene Zitierweise: George Ciorănescu, Tătărescu, Gheorghe, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 272-273 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1747, abgerufen am: (Abrufdatum)

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