Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

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Mustafa Reşid Pascha

Mustafa Reşid Pascha, osmanischer Staatsmann der Reformzeit, * Istanbul 13.03.1800, † ebd. 07.01.1858, Sohn eines Vakif-Beamten, dessen Großvater aus Kastamonu stammte.

Leben

Durch den Tod seines Vaters konnte M. seine klassische Ausbildung nicht abschließen, wurde bei seinem Schwager Seyyid Ali Pascha (Großwesir 1819-1820) angestellt und begleitete diesen 1821 nach der Morea bei dem Versuch einer Niederschlagung des griechischen Aufstandes. Nach Seyyid Ali Paschas Absetzung mit ihm nach Istanbul zurückgekehrt, lebte M. eine Zeitlang in bedrückten Verhältnissen in dessen Haus und erhielt dann eine Stelle im Büro des Großwesirs Selim Mehmed Pascha. Mit ihm und der osmanischen Armee gelangte M. 1828 nach Šumen (Şumnu); durch seine vertraulichen Berichte an Mahmud II. über die Lage in Rumelien lenkte er die Aufmerksamkeit des Sultans auf sich, nahm im folgenden Jahr als Sekretär an den Friedensverhandlungen in Edirne teil und reiste 1830/31 in gleicher Funktion mit einer Gesandtschaft nach Ägypten. 1832 erster Sekretär des Großwesirs (âmedî), verhandelte er 1833 und 1834 erfolgreich in Ägypten mit Mehmed Ali und in Kütahya mit Ibrahim Pascha, erregte jedoch, wie es hieß, den Zorn Mahmuds II., weil er Ägypten die Steuereintreibung im Eyalet Adana überließ. Im Juli 1834 wurde M. als außerordentlicher Gesandter nach Paris geschickt, 1835 erneut als Botschafter; in der Algerienfrage erreichte er keine Annäherung der Standpunkte, konnte indessen die französische öffentliche Meinung von Ägypten abwenden und für die Osmanen gewinnen. Im September 1836 wurde er als Botschafter nach London versetzt und bemühte sich dort um Verständnis für den Reformwillen der Pforte und die türkischen Interessen in Algerien und Ägypten. 1837 zum Außenminister ernannt, wurde er Anfang 1838 zusammen mit dem Rang eines Pascha zusätzlich noch einmal Botschafter in Paris. Am 16. August 1838 Unterzeichnete er ein Handelsabkommen mit England, das u. a. die Monopole abschaffte, die Ausländer den bevorzugtesten Pfortenuntertanen gleichstellte und ihnen den Binnenhandel mit Landesprodukten gestattete. Nach dem Tode Sultan Mahmuds II. kehrte M. im August 1839 nach Istanbul zurück und konnte den jungen Herrscher Abdülmecid I. von der dringenden Notwendigkeit der Reformen überzeugen; am 3. November 1839 verlas er in einer feierlichen Zeremonie das als Hattischerif (hattışerif) von Gülhane bekanntgewordene und von ihm selbst verfaßte Reformdekret vor dem Sultan und den in- und ausländischen Würdenträgern. Am 31. März 1841 durch Einwirkung von Mehmed Ali Pascha als Außenminister abgesetzt, war M. bis 1842 und von 1843 bis 1845 wiederum Botschafter in Paris; in dieser Zeit standen bei seiner Tätigkeit die durch die Anteilnahme Frankreichs an den Religionskämpfen im Libanon hervorgerufenen Probleme im Vordergrund. Im Oktober 1845 wurde er zum zweitenmal Außenminister, am 28. September 1846 Großwesir, ein Amt, das er zunächst bis zum 24. April 1848 und danach noch fünfmal (12.08.1848 - 27.01.1852, 04.03. - 05.08.1852, 23.11.1854 - 04.05.1855, 02.11.1856 - 01.08.1857, 22.10.1857 - 07.01.1858) innehatte. M. bemühte sich um die Fortführung der Reformen, zeigte sich entschlossen in einem diplomatischen Konflikt mit Griechenland (1847) und beobachtete aufmerksam die europäische Revolution des Jahres 1848; seine vorübergehende Absetzung in diesem Jahr basierte auf einem Gerücht, er wolle in der Türkei die Republik verkünden. 1849 wurden die in das Osmanische Reich gelangten politischen Flüchtlinge in Schutz genommen, 1850 verbot M. offiziell den Sklavenhandel. 1853-1854 war er, zu Beginn des Krimkrieges, noch einmal Außenminister; die von Fürst Aleksandr Sergeevič Menšikov in Istanbul vorgebrachten russischen Forderungen wurden abgewiesen und am 12. März 1854 ein Bündnis mit Frankreich und England geschlossen, dem sich später auch Sardinien anschloß. In der Folgezeit wuchs der Einfluß des britischen und des französischen Botschafters derart, daß sie bei den Besetzungen der höheren Ämter eine bedeutende Rolle spielten und bei der osmanischen Regierung manchen Konflikt hervorriefen; so war M.s Rücktritt 1855 auf seine Ablehnung des Suezkanalprojektes zurückzuführen, das der französische Geschäftsträger befürwortete. An der Friedenskonferenz in Paris nahm M. somit nicht teil, lehnte auch das Reformdekret (hatt-ı hümayun) von 1856 als schädlich für die Interessen des Staates ab und begab sich für einige Monate nach Ägypten. 1857 trat er als Großwesir zurück, weil er die von Frankreich, Preußen, Rußland und Sardinien geforderte Nichtigkeitserklärung der Wahlen in den Donaufürstentümern mit der Begründung zurückwies, sie seien gesetzmäßig gewesen, und durch Dokumente vom Gegenteil überzeugt wurde. Seine letzte Amtszeit als Großwesir wurde nach kurzer Zeit durch einen Herzschlag beendet.

Literatur

Rosen, G[eorg]: Geschichte der Türkei von dem Siege der Reform im Jahre 1826 bis zum Pariser Tractat vom Jahre 1856. 2 Bde. Leipzig 1866/67.
Engelhardt, Edouard: La Turquie et le Tanzimat. 2 Bde. Paris 1882/84.
Bamberg, Felix: Geschichte der orientalischen Angelegenheit im Zeiträume des Pariser und des Berliner Friedens. Berlin 1892.
Baysun, Cavit: Mustafa Reşit Paşa. In: Tanzimat I (Paris 1940) 723-746.
Kaynar, Reşat: Mustafa Reşit Paşa ve Tanzimat. Ankara 1954.
Lewis, Bernard: The Emergence of Modern Turkey. London, New York, Toronto 1961.


GND: 11878840X

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Empfohlene Zitierweise: Hans-Jürgen Kornrumpf, Mustafa Reşid Pascha, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 280-282 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1426, abgerufen am: (Abrufdatum)

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