Rákóczi von Felsővadász, Ferenc (Franz) II., Fürst von Siebenbürgen 1704-1711 und der verbündeten Stände Ungarns 1705-1711, Führer des ungarischen Unabhängigkeitskrieges gegen Habsburg, * Borsi (Borša, Komitat Zemplin) 27.03.1676, † Rodosto (heute Tekirdag, Türkei) 08.04.1735, Sohn des Ferenc I. R. und der Ilona Zrínyi.
Leben
Bereits einige Monate nach seiner Geburt starb R.s Vater. Sowohl er als auch seine einige Jahre ältere Schwester Julianna wurden von der Mutter erzogen, die sich im Juni 1682 mit dem Grafen Imre Thököly verehelichte. Im April 1688 wurde der zwölfjährige Knabe auf Anordnung seines Vormunds, des Erzbischofs Leopold Graf Kollonich, von seiner Mutter getrennt und in das Jesuitengymnasium von Neuhaus (Jindřichův Hradec) in Böhmen gebracht, um ihn aus der Familientradition herauszureißen. Von hier ging er im Herbst 1690 auf die Prager Universität, nach einer fast einjährigen Kavalierstour durch Italien (1693) lebte er dann in Wien. Kaiser Leopold I. erklärte ihn am 9. März 1694 für großjährig. Noch im selben Jahr, am 26. September 1694, heiratete er in Köln die Tochter des Herzogs von Hessen-Rheinfels, Charlotte-Amalie, und kehrte auf seine Güter in Ungarn zurück. Als R. geboren wurde, war der südliche und mittlere Teil Ungarns noch von den Türken besetzt. Inzwischen hatten aber in einem anderthalb Jahrzehnte dauernden Krieg die kaiserlich-königlichen Truppen die Osmanen aus dem Land gedrängt, und der Friede von Karlowitz (26.01.1699) sicherte Habsburg den Besitz von Ungarn und Siebenbürgen. Leopold I. sah nun die Zeit für gekommen, um aus seinen verschiedenen Ländern eine einheitliche, zentralisierte Gesamtmonarchie zusammenzuschweißen, weshalb er den Großteil der zurückeroberten Gebiete nicht wieder Ungarn anschloß, sondern, indem er den ungarischen Adel beiseiteschob, das ganze Land durch die zentralen Wiener Organe regieren ließ. Diese kümmerten sich wenig um die Interessen Ungarns, ihr Hauptbestreben war, möglichst hohe Einkünfte aus dem Land zu pressen. Der Unterhalt des das Land besetzt haltenden Militärs belastete die von ihren Gutsherren sowieso ausgesogenen Bauern; die Städte beklagten sich, daß der Handel in fremde Hände gerate; die schonungslose Rekatholisierung verbitterte die zumeist protestantischen Einwohner ohne Unterschied ihres gesellschaftlichen Standes. Das Land wartete nur darauf, die ihnen verhaßte Fremdherrschaft abzuschütteln. Nach seiner Rückkehr sah R. die auf dem Lande lastende Unterdrückung, die auch seine Rechte beschränkte, und erkannte, daß jedermann seine Befreiung von ihm erwarte. Als sich aber 1697 die Bauern in Ostungarn gegen den Terror der kaiserlichen Soldateska erhoben und die Leute ihn als Führer gewinnen wollten, floh er trotzdem - um seine Loyalität dem Hof gegenüber zu beweisen - nach Wien. Die dem Aufstand folgende blutige Vergeltung hat auch mitgespielt, daß R. sich zum Handeln entschloß. Er begann im Kreise des Adels zu organisieren und wandte sich 1701 an Ludwig XIV. von Frankreich um Unterstützung. Durch den Verrat seines Beauftragten geriet er am 29. Mai 1701 in den Kerker von Wiener Neustadt, doch gelang es ihm im November 1701 vor dem Schafott nach Polen zu fliehen, wo er zusammen mit seinem vertrauten Ratgeber und Freund, Miklós Graf Bercsényi, die Unterstützung der Könige von Schweden und Frankreich zu gewinnen trachtete, um mit ausländischen Söldnern in Ungarn einen Aufstand zu inszenieren; ihre Verhandlungen verliefen jedoch erfolglos. In der Festung Brezan (Brežany), wo er sich im Februar 1702 aufhielt, suchten ihn dann im Mai 1703 die Vertreter der ungarischen Bauern unter Führung von Tamás Esze auf und baten ihn, sich an die Spitze ihrer Erhebung zu stellen.
Im Juni 1703 begann R. an der Spitze von einigen hundert schlecht bewaffneten Bauern, die sich Kuruzzen nannten, den Aufstand. Der Zeitpunkt war gut gewählt, da ein großer Teil der kaiserlichen Truppen wegen des spanischen Erbfolgekrieges aus dem Lande gezogen worden war. Das bäuerliche Heer vergrößerte sich rasch und eroberte unter der Führung R.s bald den nordöstlichen Teil des Landes. Die Erfolge und der Zauber des Namens R. erbrachten in einigen Monaten den Anschluß der Städte und dann des Adels. Ende 1704 befand sich - mit Ausnahme einiger Festungen - das ganze Land in den Händen der Kuruzzen. Am 8. Juli 1704 wählte der Landtag in Karlsburg (Gyulafehérvár, Alba Iulia) R. zum Fürsten von Siebenbürgen, und am 20. September 1705 riefen ihn die in einer Konföderation vereinten ungarischen Stände auf dem Reichstag von Szécsény zum Fürsten von Ungarn aus. Eine der ersten Aufgaben R.s war es, an Stelle der erloschenen Wiener Verwaltung eine nationale Regierung zu errichten. Sein Ideal war die zentralisierte Regierung; seine Maßnahmen stießen jedoch auf den Widerstand des seine Privilegien verteidigenden Adels und scheiterten an den zurückgebliebenen wirtschaftlichen Verhältnissen Ungarns. Obzwar der Reichstag ein diesbezügliches Gesetz erbrachte, konnte er die Besteuerung des Adels und die unmittelbare Eintreibung der bäuerlichen Steuern nur teilweise durchführen, und die dilettantischen aristokratischen Generäle verhinderten die Regulierung der Armee. Der Kuruzzenstaat kämpfte mit unüberwindlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, und die in Guerillakämpfen vorzüglichen Truppen waren in offenen Schlachten dem kaiserlichen Militär unterlegen. Das größte Übel war, daß R. die Bauernschaft nicht gegen die Willkür der Gutsherren verteidigen konnte, und die Bauern, die wegen der Verbesserung ihrer sozialen Lage zu den Waffen gegriffen hatten, verstimmt waren. Das auf dem Reichstag in Sárospatak (November/Dezember 1708) erbrachte Gesetz, das die Militärdienst leistenden Leibeigenen zu freien Bauern machte, kam zu spät und konnte die Entvölkerung des Kuruzzenheeres nicht verhindern. Die bei Beginn des Unabhängigkeitskampfes günstige außenpolitische Lage verschlechterte sich im Laufe der Jahre immer mehr. Nach der Schlacht bei Höchstädt (13.08.1704) zeigte sich die Überlegenheit des Kaisers und seiner Verbündeten gegenüber den Franzosen immer mehr. König Ludwig XIV. erkannte die Bedeutung des ungarischen Freiheitskampfes im Rücken seines Feindes und gewährte R. systematische, obzwar nicht bedeutende materielle Unterstützung, schloß jedoch kein Bündnis mit ihm. Auch die mit dem preußischen Hof, dem Schwedenkönig Karl XII. und der Pforte geführten Verhandlungen blieben erfolglos. Nur der russische Zar Peter I. schloß mit R. einen Geheimvertrag (Warschau 14.09.1707), in dem er R. den polnischen Thron anbot, infolge des schwedisch-russischen Krieges bedeutete aber auch dies keine tatsächliche militärische Unterstützung. R. konnte so die außenpolitische Isolierung nicht durchbrechen, weshalb er 1704 und dann 1706 - mit englischer und holländischer Vermittlung - über Ráday und Bercsényi mit dem Wiener Hof Friedensverhandlungen führen ließ, die jedoch erfolglos blieben. Der Reichstag von Ónod sprach sich am 31. Mai 1707 für die Fortsetzung des Krieges aus und dethronisierte das Haus Habsburg. Es tauchte auch der Gedanke auf, R. auf den Thron zu erheben, was R. jedoch mit der Begründung ablehnte, daß ein solcher König benötigt werde, der eine ausländische Unterstützung sichern kann. So wurde die Krone dem im französischen Exil lebenden Maximilian II. Emanuel angeboten, der jedoch eine Entscheidung hinauszögerte. Die Niederlage in der Schlacht bei Trentschin (04.08.1708) setzte allen diesen Plänen ein Ende. Die in Übermacht befindliche kaiserliche Armee unter General Heister drängte die von Bercsényi geführten ermüdeten Kuruzzenheere Schritt für Schritt zurück. Am 30. April 1711, als sich sowohl R. als auch Bercsényi zwecks Verhandlungen um russische Hilfe im Ausland befanden, schloß General Sándor Károlyi mit dem im Auftrag des habsburgischen Kaisers handelnden Banus von Kroatien, Graf János Pálffy, den Frieden von Sathmar. Ungarn kehrte unter die Regierung des Kaisers zurück. Der Friede gewährte eine allgemeine Amnestie, bestätigte die protestantische Glaubensfreiheit sowie die Verfassung Ungarns und Siebenbürgens und sicherte die Privilegien des Adels. R. nahm den Frieden, der auch ihm Amnestie gewährte, nicht an. Aus Polen begab er sich 1713 an den Hof Ludwigs XIV. und 1717, einem Ruf der Pforte folgend, in die Türkei, weil er hoffte, daß der türkisch-österreichische Krieg es ermöglichen werde, den Krieg wieder zu beginnen. Nach dem Frieden von Passarowitz (21.07.1718) wies ihm die türkische Regierung Rodosto als Wohnsitz zu. Hier lebte er bis zu seinem Tode mit seinem aus einigen ungarischen Emigranten bestehenden Hof. 1906 wurden seine Gebeine nach Kaschau überführt. Die Person R.s war von tiefer und bleibender Wirkung auf die zeitgenössischen Ungarn und auch auf die Nachkommen. Seine politischen Ideen lebten weiter, sein vom Jansenismus inspirierter Katholizismus diente als Beispiel für die konfessionelle Duldsamkeit, aus seiner Vaterlandsliebe schöpften Generationen Kraft und Mut. R.s politischer Schriftwechsel und die Schriften seines Hochverratsprozesses wurden in zwölf Bänden im Archivum Rákóczianum von Kálmán Thaly und Imre Lukinich (Budapest 1873/1935) herausgegeben; ein Teil der außenpolitischen Korrespondenz veröffentlichte Joseph Fiedler in den drei Bänden „Zur Geschichte Franz Rákóczis und seiner Verbindungen mit dem Auslande“ (Wien 1855/58). R.s „Mémoires sur la guerre de Hongrie depuis 1703 jusqu’à sa fin“, erstmals erschienen in Den Haag 1739, erlebten in ungarischer Übersetzung viele Auflagen (kritische Ausgabe mit ungarischer Übersetzung: Archivum Rákóczianum. Bd III/1. Budapest 1978). Seine „Confessio peccatoris“, eine in lateinischer Sprache geschriebene Autobiographie, wurde erst im Jahre 1876 herausgegeben (später auch in ungarischer Übersetzung).
Literatur
Heigel, Karl Theodor von: Die Beziehungen des Kurfürsten Max Emanuel zu Franz Rakoczy 1703-1715. In: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. (1885) 117-146.
Márki, Sándor: II. Rákóczi Ferencz. 3 Bde. Budapest 1907/10.
Hengelmüller, G. von: Franz Rákóczi und sein Kampf für Ungarns Freiheit 1703-1711. Stuttgart, Berlin 1913.
Rákóczi emlékkönyv. 2 Bde. Hrsg. Imre Lukinich. Budapest 1935.
Esze, Tamás: II. Rákóczi Ferenc tiszántúli hadjárata. In: Századok 85 (1951) 30-119.
Köpeczi, Béla u. Ágnes Várkonyi: II. Rákóczi Ferenc. Budapest 1955, 1976(2).
Kiss, Gábor: Franz Rákóczi II., Peter der Große und der polnische Thron (um 1717). In: Jb. Gesch. Osteuropas 13 (1965) 344-360.
Köpeczi, Béla: A Rákóczi-szabad-ságharc és Európa. Budapest 1970.
Ders.: La France et la Hongrie au début du XVIIIe siècle. Budapest 1971.
A Rákóczi-szabadságharc külpolitikai helyzetéről. In: Tört. Szle 21 (1978) 513-535.
Benda, Kálmán: Der Rákóczi-Aufstand und die europäischen Mächte. In: Österr. Gesch. u. Lit. 22 (1978) 328-337.
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