Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Dobrjans’kyj, Adolf Ritter von
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Dobrjans’kyj, Adolf Ritter von

Dobrjans’kyj (Dobržanský), Adolf Ritter von, karpato-ruthenischer Politiker, * Rudlyó (Rudlov, Komitat Zemplin) 18.12.1817, † Wien (?) 1901, Sohn eines griechisch-katholischen (unierten) Geistlichen.

Leben

Nach Abschluß der Mittelschule in Leutschau 1832 studierte D. Philosophie in Kaschau und Rechtswissenschaften in Erlau. Hier legte er auch das juristische Assessorexamen ab. Anschließend studierte er an der Bergakademie in Schemnitz. Nach einem Aufenthalt in Wien (1846/47) und einer Anstellung in den böhmischen Kohlerevieren wurde D., der sich eingehend mit den panslawistischen Ideen von František Palacký vertraut gemacht hatte, in den ungarischen Landtag gewählt, mußte aber wegen seiner austrophilen Einstellung 1848 nach Lemberg fliehen, wo er mit den galizischen Ruthenen (Holovna Rus’ka Rada) Verbindung aufnahm und das anläßlich des Prager Slawenkongresses verfaßte ruthenische Programm mitbestimmte.
Als Verbindungsoffizier zu den österreichischen Truppen kehrte D. mit den russischen Interventionstruppen 1849 nach Ungarn zurück und erhielt einen russischen Ritterorden. In die königliche Zivilverwaltung übernommen als Stellvertreter des Distriktobergespans von Ungvár (Užhorod) und als Kameralbeamter in Kaschau und Pest, bemühte sich D. um die politischen und kulturellen Belange der Ruthenen (Bittschriften an den Kaiser, Gründungen von ruthenischen Volks- und Mittelschulen). Zusammen mit Oleksander Duchnovyč rief er 1850 in Eperjes eine ruthenische literarische Gesellschaft ins Leben. Da die Vereinigung Ost-Galiziens mit den zu Ungarn gehörenden ruthenischen Komitaten nicht in Frage kam, betrieb D., zusammen mit den Slowaken Josef Hurban und L’udovít Štúr, eine gegen die drohende Magyarisierung gerichtete Politik. 1861 wurde er von Slowaken und Ruthenen erneut in das ungarische Parlament gewählt, reichte aber dort sein Mandat nicht ein. Er scheiterte am Vorwurf der „Russophilie“. Seine vor den Abgeordneten zu haltende, aber verhinderte „Rede des ungarischen Landtag-Abgeordneten Adolf Ritter von Dobržanský in der Adreß-Angelegenheit“ wurde in Wien 1861 veröffentlicht. Noch 1868, nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich, beteiligte sich D. als einziger oberungarischer Abgeordneter an der Erörterung des ungarischen Nationalitätengesetzes. Da seine austroslawische Überzeugung keine politischen Erfolge brachte, gründete D. 1866 in Ungvár den russophilen Basilius-Verein (Obščestvo Sv. Vasylija Velykoho) und gab das in „karpatorussischer“ Sprache erscheinende Wochenblatt „Svet“ (Die Welt) heraus.
Die Idee des russischen Panslawismus vertraten zusammen mit D. auch die Slowaken Andrej Radlinský und Ján Palárik. Aus dem aktiven politischen Leben ausgeschieden, besuchte D. mehrmals Rußland, wo auch seine Söhne Staatsämter bekleideten, und fand 1881 Unterstützung bei der gleichgesinnten „altruthenischen“ Partei in Lemberg.
Ein Jahr später wurde er hier zusammen mit anderen „Altruthenen“ des Landesverrats angeklagt, aber freigesprochen. In seinen politischen, zum Teil pamphletartigen Schriften „Proekt političeskoj programmy Rusi Avstrijskoj“ (Projekt eines politischen Programms der österreichischen Ruthenen, Wien 1871), „Patriotičeskija pisma“ (Patriotische Schriften, Lemberg 1873), „Programm zur Durchführung der nationalen Autonomie in Österreich, von einem Slaven“ (Wien 1885), „O sovremenno religiozno-političeskom dviženii avstrougorskoj Rusi“ (Über die zeitgenössische religiös-politische Bewegung der österreichisch-ungarischen Ruthenen, Moskau 1885), „Nomenklation der österreichisch-ungarischen Russen“ (Wien 1885), „Material zur Denkschrift der galizischen Juden“ (Wien 1885) u. a. versuchte D., den programmatischen Russophilismus zu begründen, ein Anliegen, das aus seiner Sorge um das ethnische Fortbestehen des ungarischen Ruthenentums zu erklären ist. Von der neuen, ukrainophil ausgerichteten „jungruthenischen“ Bewegung in Galizien überrascht, verlor D. auch den Einfluß auf die weitere Entwicklung der Ruthenen in Ungarn.

Literatur

Biedermann, I. H.: Russische Umtriebe in Ungarn. Innsbruck 1867.
Popov, A. V.: A. I. Dobrjanskij, jego žizń i dejatel’nost. Mukačevo 1928.
Doboš, S. V.: A. I. Dobrjanskij - očerk žizni i dejatel'nosti. Prjašov 1956.
Žeguc, Ivan: Die nationalpolitischen Bestrebungen der Karpato-Ruthenen 1848-1914. Wiesbaden 1965.
Gogolák: Bd 3, 20-69.

Verfasser

A. Rebet


GND: 1037007565

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Empfohlene Zitierweise: A. Rebet, Dobrjans’kyj, Adolf Ritter von, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 413-414 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=740, abgerufen am: (Abrufdatum)

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