Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Franz II. (I.)
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Franz II. (I.)

Franz II. (I.), römisch-deutscher Kaiser 1792-1806, Kaiser von Österreich 1804- 1835, König von Ungarn, * Florenz 12.02.1768, † Wien 2.03.1835, ältester Sohn Kaiser Leopolds II.

Leben

Infolge Kinderlosigkeit Josephs II. früh zum Haupt seines Hauses designiert, kam F., nicht ohne Widerstand seines Vaters, zur Vollendung seiner Ausbildung 1784 nach Wien. Seine Erziehung war hier wie vorher in Florenz nicht die günstigste. Der frühe Tod erst Josephs II., dann des Vaters führte F. - der ohne Erfahrung und ohne leitenden Berater war - in ungemein kritischer Zeit auf den Thron.
Bald nach F.s Regierungsantritt beantwortete die Pariser Revolutionsregierung die Interventionen zugunsten Ludwigs XVI. mit der Kriegserklärung (20.04.1792). Von da an rang F. bis 1814 weniger um den Bestand des Römischen Reiches als vor allem um den seines Staates. Schon im 1. Koalitionskrieg wurden von F. unter dem Einfluß von Johann Amadeus Freiherr von Thugut die Politik Josephs II., Reichsinteressen den österreichischen Staatsinteressen zu opfern, fortgesetzt und dadurch die Weichen auf den territorialen Rückzug Habsburgs vom Westen, auf die restlose Liquidierung der Reichskirche (1803), auf die Errichtung des Kaisertums Österreich (1804), auf den Rheinbund und die Auflösung des Reichs (1806) bereits gestellt. Nach dem Erwerb Westgaliziens (1795) fiel Österreich im Frieden von Campoformido (1797) im Austausch gegen Mailand Venetien samt Dalmatien zu. Das Ende des 2. Koalitionskrieges bestätigte 1801 das Erlöschen der habsburgischen Niederlande und der Sekundogenituren in Italien, der 3. brachte den Verlust Venedigs, der österreichischen Vorlande, Tirols und Vorarlbergs, sowie die Anerkennung der Souveränität der bald im Rheinbund organisierten deutschen Staaten. Darauf legte F., der - dem französischen Kaisertums Napoleons zu begegnen - am 10. August 1804 das Kaisertum Österreich proklamiert hatte, am 6. August 1806 die römische Kaiserkrone nieder und erklärte das Reich für erloschen. Österreichs allein geführter Krieg von 1809 führte trotz zeitweiser militärischer Erfolge (Aspern) zum Verlust Salzburgs (1805 gewonnen), großer Teile Galiziens, zum Verlust halb Kärntens, Krains, Görz’, Triests, Istriens, teilweise Kroatiens und ganz Dalmatiens zugunsten eines Königreichs Illyrien, so daß das Kaisertum ein binnenländischer Donaustaat geworden war. Als Folge der vielen Kriege mußte 1811 der Staatsbankrott erklärt werden. Unter der Einwirkung Metternichs, der ab Herbst 1809 die Außenpolitik leitete, bequemte sich F. zur Heirat seiner Tochter Marie Louise mit Napoleon, zum Bündnis mit Frankreich 1812. Erst nach langem Taktieren trat er im Sommer 1813 der Koalition gegen Napoleon bei. Das drohende gesamteuropäische Übergewicht Rußlands, das während Österreichs Schwäche auf dem Balkan gegen die Pforte bereits Wien empfindlich berührende Erfolge errungen hatte, trug dazu bei. Die Neuordnung Europas 1814/1815 machte den Verlust von Österreichs Weststellung nicht wett. Neben seiner erneuerten Dominanz in Italien und seinem reduzierten Einfluß im Deutschen Bund wurde es von jetzt an neben Rußland vor allem der beherrschende Staat Südosteuropas. F.s fernere Außenpolitik war durchaus der Bewahrung der neuen Lage gewidmet, wozu die Heilige Allianz und die Kongresse von 1818 bis 1822 dienten.
Die zwanzigjährige Existenzkrise, auch in napoleonischer Zeit gepaart mit revolutionärer Bedrohung, befestigte zusammen mit der Jakobiner Verschwörung 1794/95 das schon früh ausgebildete Mißtrauen des Kaisers. Nie überließ F. sich der Führung eines leitenden Staatsmannes, auch nicht der Metternichs. Er behielt sich vielmehr alle, auch unbedeutende, Entscheidungen vor. F. selbst wurde zum Zentrum der österreichischen Politik, seine Person drückte dem Staat ihr Wesen auf. Seine innere Politik war primär stets dynastische Politik; schon der Entscheid für ein Kaisertum Österreich stand in diesem Zeichen. Es wurde von ihm als „Familienfideikommiß“ verstanden, „über das er als Majoratsherr unbeschränkt zu walten“ hatte (Heinrich Ritter von Srbik). Der Staat reduzierte sich - nach Joseph II. und Leopold II. - wieder auf das Patrimonium, das „Haus Österreich“. Ständen abgeneigt, befand sich F. seit dem Streit um die Ausdehnung des Finanzpatents von 1811 auf Ungarn bis 1825 im Verfassungskonflikt mit Ungarn. Sogar französische Maßnahmen gegen ständische Traditionen fanden seinen Beifall, z. B. in Illyrien. Die Reorganisation der 1814/15 zurückgewonnenen Gebiete erfolgte demgemäß nicht nur nach absolutistischen Maximen, sondern, direkt gegen Metternichs Vorschläge, den jeweils regionalen (nie nationalen) Lokalgeist zu fördern, zugunsten „möglichster Gleichstellung“ und „Gleichförmigkeit“ mit der Verwaltungsstruktur der Erbländer. Damit ging allerdings, scharfe Trennung von monarchischem Staat und „bürgerlicher“ Gesellschaft vorausgesetzt, kein sprachlicher Germanisierungsversuch einher. Nur der innere Dienst vollzog sich infolge solcher Verwaltungsdoktrin in deutscher Sprache; im äußeren sorgte F., z. T. durch persönliche Auswahl der Beamten, für die Verständigung zwischen Amt und Bevölkerung. Überhaupt lag F. sehr an der Wohlfahrt seiner Bevölkerung, wenn auch nicht im Sinne josephinischer Sozialpolitik. Wohlfahrt war insofern ein wesentliches Motiv seiner Politik, als „seiner Meinung nach die Untertanen in einem wohlgeordneten, von allen unruhigen Elementen geschützten Staat ihre volle Befriedigung finden“ mußten. „Sie sollten sich nicht in die Verwaltung einmischen, sondern, jeder an seinem Ort, fleißig ihre Arbeit tun und so ihr Wohl und Glück befördern“ (Hugo Hantsch). Dieser Staats- und Gesellschaftsauffassung ist auch des Kaisers Wahlspruch „Justitia regnorum fundamentum“ zuzuordnen. Seine unbedingte Durchsetzung in der Praxis des bloß „bürgerlichen“, staatsfernen Lebens, der kulturelle und anhaltende wirtschaftliche Aufschwung, an dem F.s Neigung für Gewerbe und Industrie Anteil hatte, das bürgerliche Auftreten und die volksnahe Sprache des Kaisers verschafften F. eine ziemliche Popularität, die in dem Wort von „Franz dem Guten“ treffend Ausdruck fand. Dabei konnte die Erstarrung des Staates immer weniger übersehen werden. Wer gegen sie auftrat, wurde von F. mit Härte zurückgewiesen; so auch seine Brüder, die Erzherzoge Karl, Joseph und besonders Johann. Daß F. seinen schwachsinnigen Sohn Ferdinand trotz schwerer Bedenken zum Nachfolger bestimmte und ihm testamentarisch die Fortsetzung seiner Politik ans Herz legte („regiere und ändere nichts!“), trug wesentlich zur Ausbildung der vorrevolutionären Lage im Österreich des ausgehenden Vormärz bei.

Literatur

Wolfsgruber, Coelestin: Franz I. Kaiser von Österreich. 2 Bde. Wien, Leipzig 1899.
Srbik, Heinrich Ritter von: Metternich. Der Staatsmann und der Mensch. 3 Bde. München (1925/54).
Reinöhl, Fritz v.: Das politische Vermächtnis Kaiser Franz I. In: Hist. Blätter 7 (1937) 71-78.
Bibl, Viktor: Kaiser Franz. Der letzte römisch-deutsche Kaiser. Leipzig, Wien (1938).
Langsam, Walt. Consuelo: Franz der Gute. Die Jugend eines Kaisers. Wien, München (1954).
Walter, Friedrich: Die Geschichte der österreichischen Zentralverwaltung in der Zeit Franz’ II. (I.) und Ferdinands I. 1792-1848. Wien 1956. = Die österreichische Zentralverwaltung. II. Abt. Bd 1/2. T. 2.
Haas, Arthur G.: Metternich, reorganization and nationality, 1813-1818. A story of foresight and frustration in the rebuilding of the Austrian Empire. Wiesbaden 1963. = Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte. Mainz. 28.

Verfasser

Alfred Ableitinger (GND: 122101480)


GND: 118534955

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Empfohlene Zitierweise: Alfred Ableitinger , Franz II. (I.), in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 527-529 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=830, abgerufen am: (Abrufdatum)

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