Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Ludwig I. der Große
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Ludwig I. der Große

Ludwig I., der Große (Nagy Lajos), König von Ungarn 1342-1382 und Polen 1370-1382, * Visegrád (?) 5.03.1326, † Tyrnau 10.09.1382, dritter Sohn König Karls I. von Ungarn aus dem neapolitanischen Zweig der Anjou und dessen dritter Frau Elisabeth, Tochter des Königs von Polen Wladislaw I. Lokietek.

Leben

Nach dem frühen Tode der älteren Brüder wurde L. zum Thronfolger bestimmt und erhielt eine gründliche religiöse und höfisch-weltliche Erziehung. Als geistliche Lehrer werden der aus Schlesien stammende Miklós Neszmély i und der Franziskaner Dénes Lackfi erwähnt, von seinen weltlichen Erziehern sind Miklós Drugeth, Miklós Kenesich und Péter Poháros namentlich bekannt. L. trat 1335 das erstemal öffentlich bei dem gegen Wien gerichteten ungarisch-böhmisch-polnischen Bündnisvertrag auf. 1336 begleitete er das königliche Heer im Feldzug gegen Österreich. Am 1. März 1336 wurde L. mit Margarete, Tochter des Markgrafen von Mähren, des späteren Kaisers Karl IV., verlobt und führte seine erst dreijährige Braut aus Brünn persönlich heim. Nach dem Tode des Vaters (16. VII. 1342) wurde er als legitimer Thronerbe sofort anerkannt und am 21. Juli 1342 in Stuhlweißenburg gekrönt. Der 16jährige König bekundete seine Verbundenheit mit der heimischen Tradition in der Pilgerfahrt zum Grab des hl. Ladislaus (König Ladislaus I..) nach Großwardein. Auch auf seinen Golddukaten ließ er Johannes den Täufer durch den hl. Ladislaus ersetzen. Christlich-ritterliches Ehrgefühl und Pflichtbewußtsein, Kirchentreue und Missionseifer, weltliche Ruhmsucht, wovon der Alexanderkult zeugt, sowie dynastisches Denken, das Heiratsverbindungen hauptsächlich als politische Mittel benutzte, erweisen sich als entscheidende Motive seiner Zielsetzungen und Entscheidungen. Mit seinen polnischen und böhmischen Verbündeten nahm L. 1345 am Feldzug gegen das heidnische Litauen teil. Sein Versuch, Venedigs Expansion in Dalmatien durch den Entsatz von Zara aufzuhalten, schlug am 1. Juli 1346 fehl, weil mehrere von den Venezianern bestochene Magnaten in den Kampf nicht eingriffen. Die Ermordung seines Bruders Andreas (18.09.1345), dessen Heirat mit seiner Kusine Johanna von Neapel das Erbe der italienischen Anjou für den ungarischen Zweig hätte sichern sollen, veranlaßte L., sein Heer zuerst vom November 1347 bis Mai 1348, dann - nachdem ein am 8. September 1348 geschlossener Friede mit Venedig die kürzere Seeverbindung nach Süditalien geöffnet hatte -, im Frühjahr 1350 persönlich gegen das Königreich Neapel zu führen. Bei der Belagerung von Aversa (26.06.1350) wurde er schwer verwundet. L. konnte aber bei Papst Klemens VI. weder die Verurteilung und Absetzung Johannas als Anstifterin zum Gattenmord, noch die Anerkennung seiner italienischen Eroberungen durchsetzen, zumal das Papsttum Ungarn als kontinentale Großmacht von Italien unbedingt fernhalten wollte. Als Entschädigung erhielt er aber für vier Jahre den päpstlichen Zehent Ungarns. Der ungarische niedere Adel wurde für seine Dienste in den italienischen Feldzügen mit einer Erneuerung der Goldenen Bulle belohnt (11.12.1351). Das Dekret verkündete „eine und dieselbe Freiheit“ für alle Adligen im ganzen Königreich, bestätigte das althergebrachte Erbrecht der Sippe (aviticitas) und regelte einheitlich die Feudalrente und Freizügigkeit der Grundsassen. Im Sommer 1351 und Februar bis April 1352 nahm L. an den im wesentlichen erfolglosen litauischen Feldzügen des Polenkönigs Kasimir III. teil, dem er Halyč und Lodomerien auf Lebenszeit überließ, sich aber die polnische Erbschaft erneut sicherte. Im Jahre 1353 brachte der Verzicht auf die ungarisch-neapolitanische Personalunion eine Annäherung zwischen L. und Karl IV., der am 27. Mai 1353 in Ofen Anna von Schweidnitz heiratete. L., dessen Frau Margarete von Luxemburg 1349 an der Pest gestorben war, ehelichte am 20. Juni 1353 Elisabeth, die am ungarischen Hofe erzogene Tochter Stefans II. Kotromanić, Banus von Bosnien, eine Urenkelin König Stephans V. von Ungarn. Damit wurden günstige Voraussetzungen für eine aktive Politik gegen die venezianische und serbische Expansion geschaffen. L. scheint 1353-1355 an den Kriegszügen gegen Serbien, das von Venedig unterstützt wurde, nicht persönlich teilgenommen zu haben. 1355 zog er aber wieder gegen Litauen und nahm auf dem Rückweg die Lehnshuldigung des kiptschakischen Tatarenkhans Canibek entgegen. Der Krieg gegen Serbien wurde auch nach dem Tode des Zaren Stefan Dušan (20.12.1355) fortgesetzt, bis dessen Sohn Uroš die ungarische Oberhoheit anerkannte. Währenddessen wandte sich L. 1356 im Bündnis mit Genua, Kaiser Karl IV., den Herzogen von Österreich und Ludwig von Bayern gegen Venedig, drang bis Padua vor, wo mit Francesco Carrara eine dauerhafte Allianz zustande kam. Den von Venedig erbetenen Waffenstillstand nutzte L. zur Unterwerfung des patarenenfreundlichen bosnischen Königs Tvrtko I. Gleichzeitig unterstützten seine Truppen in Italien Papst Innozenz VI., der ihn zum „Oberkapitän der Kirche“ ernannte. 1357 setzte L. die Rückeroberung des Küstenlandes fort und im Frieden von Zara (18.02.1358) mußte Venedig auf Dalmatien für immer verzichten. Die Stadtrepublik Ragusa (Dubrovnik) stellte sich im Mai 1358 freiwillig unter den Schutz der ungarischen Krone. L.s neue Machtstellung im Süden, die seine wirksame Hilfe an den Kirchenstaat und die Aussöhnung mit seinen italienischen Verwandten noch weiter verstärkten, rief eine heftige Reaktion Kaiser Karls IV. hervor. Eine beleidigende Äußerung über die Königinmutter Elisabeth beantwortete L. 1362 mit Kriegsdrohung und einem ungarisch-polnisch-österreichischen Bündnis. Der Kaiser lenkte ein und nach einem Treffen in Krakau, wo Peter König von Zypern, Hilfe gegen die Türken beschwor, kam der von Papst Urban V. vermittelte Friede von Brünn zustande (10.02.1364). Da L. immer noch keine Kinder hatte und sein Bruder Stephan 1355, dessen Sohn Johannes 1360 gestorben waren, ging das diplomatische Ringen um das polnische und ungarische Erbe weiter, das Luxemburg und Habsburg wieder zusammenführte, L. aber veranlaßte, seinen verwaisten Vetter Karl „den Kleinen“, Herzog von Durazzo, an seinen Hof zu holen. Er benutzte inzwischen die Familienstreitigkeiten der serbischen, bulgarischen und walachischen Fürsten zur Ausweitung seiner Lehnsoberhoheit und des katholischen Glaubens, erzielte aber nur ephemere Erfolge. Nach Vertreibung der Juden aus Ungarn (1361) verwies L. 1366 auch die orthodoxe Geistlichkeit des Landes. Vielleicht im Hinblick auf die bosnische Mission wurde die erste Universität Ungarns 1367 im Süden, in Fünfkirchen gegründet. L. bestieg nach dem Tode seines Oheims Kasimir III. den polnischen Thron (Krönung in Krakau 17.11.1370). 1370 gebar die Königin Elisabeth ihre erste Tochter Katharina, 1371 wurde Maria, 1373 Hedwig geboren. Katharina, seit 1374 mit Ludwig, Herzog von Orleans verlobt, starb schon 1378. Maria wurde nach dem Friedensschluß mit Karl IV. (1372) mit dem jüngeren Sohn des Kaisers, Sigismund, Hedwig 1374 mit Wilhelm von Habsburg verlobt. In Polen hatte L. seine Mutter als Statthalterin eingesetzt, doch mußte er öfters (1372, 1374, 1377) selber bei internen Streitigkeiten eingreifen. Inzwischen gerieten die balkanischen Vasallenstaaten immer mehr in Abhängigkeit von den Türken. Im Frühjahr 1377 aber, während der an einer lepraähnlichen Krankheit leidende König nur bis nach Siebenbürgen kam, konnte sein Heer Sultan Murad I. und den Bulgarenzaren Ivan Šišman so schwer schlagen, daß der türkische Vormarsch für ein Jahrzehnt aufgehalten wurde. Aus Dankbarkeit stiftete L. die Gnadenkapelle von Maria Zell. Der im Bündnis mit Karl IV., dem Patriarchen von Aquileia Marquard von Randeck, den Herzogen von Österreich, Genua und Padua 1378-1381 geführte venezianische Krieg („Chioggia- Krieg“), wobei Karl von Durazzo das ungarische Heer anführte, brachte die Inselrepublik an den Rand des Zusammenbruchs, und im Frieden von Turin (08.08.1381) wurde die ungarische Oberherrschaft über Dalmatien erneut bestätigt. Gleichzeitig gelangte Karl von Durazzo mit ungarischer Waffenhilfe auf den Thron Johannas, die 1380 von Urban VI. wegen Parteinahme für den Gegenpapst Klemens VII. abgesetzt worden war. L. bestimmte kurz vor seinem Tode, daß seine Tochter Maria und deren Gatte Sigismund sowohl in Ungarn als auch in Polen als Thronerben anerkannt werden. Die polnische Thronfolge Marias mußte jedoch nach deren Krönung als Königin von Ungarn wieder fallengelassen werden, und die Nachfolge ging auf die jüngere Tochter Hedwig (Jadwiga) über (Krönung in Krakau am 15.10. 1384), die ihr Verlöbnis mit Wilhelm von Habsburg lösen mußte und 1386 den litauischen Großfürsten Jagiello (als König von Polen Wladislaw II.) heiratete.

Literatur

Huber, Alfons: Ludwig I. von Ungarn und die ungarischen Vasallenländer. In: Arch. österr. Gesch. 66 (1884) 1, 1-44.
Pór, Antal: Nagy Lajos 1326-1382. Budapest 1892.
Klaić, Vjekoslav: Hrvatski hercegi i bani za Karla Roberta i Ljudevita I. In: Rad JAZU 142 (1900) 126-218.
Gruber, Dane: Borba Ludovika I s Mlečanima za Dalmaciju. In: Rad JAZU 152 (1903) 32-161.
Ders.: Dalmacija za Ludovika I. In: Rad JAZU 166 (1906) 164-215, 168 (1907) 163-240, 170 (1907) 1-75.
Miskolczy, István: Magyar-olasz összeköttetések az Anjouk korában. Magyar-nápolyi kapcsolatok. Budapest 1937.
Dercsényi, Dezső: Nagy Lajos kora. Budapest 1941.
Küküllei János és a Névtelen Minorita krónikája. De gestis Ludovici I. regis Hungarorum. Budapest 1960.
Ferdinandy, Michael de: Ludwig I. von Ungarn (1342-1382). In: Südost-Forsch. 31 (1972) 41-80.

Verfasser

Thomas von Bogyay (GND: 116231149)


GND: 119015757

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Empfohlene Zitierweise: Thomas von Bogyay, Ludwig I. der Große, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 51-54 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1266, abgerufen am: (Abrufdatum)

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