Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Dušan, Stefan
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Dušan, Stefan

Dušan, Stefan, serbischer König 1331-1346 und Zar 1346-1355, * ca. 1308, † 20.12.1355, Sohn von Stefan Uroš III. (Dečanski) und seiner Gattin Teodora, einer Tochter des bulgarischen Zaren Smilec.

Leben

Mit seinem von König Milutin verbannten Vater verbrachte D. die Jahre 1314 bis 1320 in Konstantinopel und es ist wahrscheinlich, daß seine Kindheitseindrücke von der Herrlichkeit byzantinischen Hoflebens seinen späteren Lebensweg beeinflußt, wenn nicht vorgeprägt haben. Nach dem Tode König Milutins (1321) half D. seinem halbblinden Vater im Kampf gegen Vladislav, den Sohn König Dragutins, um den serbischen Thron und wurde als „iunior rex“ gemeinsam mit seinem Vater am 6. Januar 1322 von Erzbischof Danilo gekrönt. Als eigenes Herrschaftsgebiet erhielt er, wie für die serbischen „jüngeren Könige“ üblich, die Zeta, d. h. das Königtum Diokletien. Die militärische Tüchtigkeit D.s, der sich in Kriegen gegen die Bosnier und die Bulgaren (Schlacht von Velbužd [Kjustendil] am 28. Juli 1330) hervortat, brachte ihm die Gunst des Kriegeradels ein, der unter dem jungen König seine Eroberungswünsche auf byzantinisches Gebiet besser berücksichtigt sah als durch den alten und kriegsunfähigen Uroš III. Dieser schien einen Aufstand seines Sohnes zu vermuten und zog im Frühjahr 1331 gegen ihn, jedoch konnte D. seinen Vater besiegen und in der Burg Zvečan gefangensetzen. Am 8. September 1331 ließ D. sich zum Alleinherrscher krönen, am 11. November 1331 starb Uroš III. in Gefangenschaft, angeblich auf Geheiß seines Sohnes erdrosselt.
Im Frühjahr 1332 heiratete D. Jelena, die Schwester des (ebenfalls 1331 auf den Thron gekommenen) bulgarischen Zaren Ivan Aleksandŭr. Damit vertiefte er die zwischen beiden Dynastien bestehenden Bindungen und sicherte zugleich seine Ostgrenze für die Expansion in byzantinisches Gebiet. Sodann regelte er sein Verhältnis zu Dubrovnik und Bosnien, so daß er 1334 seine Eroberungen im Süden beginnen konnte. Schon im Sommer 1334 standen seine Truppen in der Nähe Salonikis, doch konnte Andronikos III. einen Frieden aushandeln, bei dem Mazedonien bis einschließlich der Gebiete von Ohrid, Prilep und Strumica serbisches Territorium wurde.
Die nach dem Tode des Andronikos III. (1341) ausbrechenden Kämpfe um die Regentschaft für Johannes V. boten D. willkommene Gelegenheit, die serbische Herrschaft weiter auszudehnen. 1343-1344 eroberten seine Heere große Teile des südwestlichen Balkans mit den Städten Valona, Kastoria und Berrhoia; im Herbst 1345 schließlich fiel die starke Festung Serrhes, so daß - mit Ausnahme Salonikis - Mazedonien bis zum Nestos (Mesta) zum Reiche D.s gehörte.
Seit der Eroberung von Serrhes verhandelte D. über die Möglichkeit einer Zarenkrönung, die er zu Ostern (16. April) 1346, nachdem er den serbischen Erzbischof in den Rang eines Patriarchen hatte erheben lassen, in Skopje durchführen ließ. Wenn auch eine Zustimmung von byzantinischer Seite nicht zu erwarten war, verliehen doch der bulgarische Patriarch, der Erzbischof von Ohrid und eine Delegation vom Berge Athos der Erhebung von Patriarch und Kaiser eine gewisse Legitimität. Schon zuvor hatte D. in Urkunden den Titel „Stephanos in Christus Gott frommer Kaiser und Autokrator von Serbien und Romanien“ angenommen.
Wenn D. auch die ideelle Überordnung des byzantinischen Kaisers weiterhin anerkannte, hat er doch sein Ziel, die Eroberung Konstantinopels, energisch verfolgt. Nach dem Abklingen der großen Pestepidemie 1347/48, die D. mit seiner Familie auf dem Athos verstreichen ließ, eroberten serbische Truppen Epirus und Thessalien. Zugleich versuchten seine Unterhändler, Venedig für die Eroberung der ohne Flotte uneinnehmbaren Stadt Konstantinopel zu gewinnen. In die gleiche Richtung zielten Kontakte mit dem Papsttum, die durch die Exkommunizierung der serbischen durch die griechische Kirche (1353-1375) erleichtert wurden. Eine Gesandtschaft D.s bot 1354 in Avignon die Kirchenunion an und wünschte dafür die Unterstützung des Papstes sowie die Ernennung D.s zum „Capitaneus“ des Kampfes gegen die Türken. D. wollte sich durch diesen Schachzug den Rücken im Nordbalkan freimachen, denn seit 1350 gab es ständige Spannungen und Kriege mit Bosnien und Ungarn, Konflikte, die D. von seinem eigentlichen Ziel ablenkten. Kampf gegen die Türken bedeutete in dem Moment, als sie sich 1352/53 gerade in Europa festgesetzt hatten, vor allem Liquidierung des nicht mehr lebensfähigen byzantinischen Reststaates, dessen Wirren die Osmanen zu den eigentlichen Herren Thrakiens gemacht hatten, so daß nun D. von Konstantinopel abgeschnitten war.
Die Verbindungen D.s mit Venedig wie mit dem Papsttum blieben jedoch ohne Ergebnis. In seinem letzten Lebensjahr scheint D. den großen Schlag gegen Byzanz und die Osmanen vorbereitet zu haben. Am 20. Dezember 1355 ist er auf dem Feldzug in Thrakien unerwartet am Fieber gestorben. In dem von ihm errichteten Erzengelkloster bei Prizren ist er bestattet worden; seit 1970 ruhen seine (authentischen?) Gebeine in der Markus-Kirche in Belgrad.
Die Herrschaftszeit D.s ist zum Inbegriff serbischer Macht und Größe geworden, jedoch zeigt der unmittelbar folgende Zerfall, daß die Vernachlässigung der serbischen Kerngebiete zugunsten leichter und reicher Eroberungen auf dem Südbalkan und die lockere Zusammenfassung heterogener Gebiete und Bevölkerungen die Fundamente des altserbischen Reiches untergraben hatten. Das Gesetzbuch D.s (Zakonik von 1349 und 1354), eine Anwendung byzantinischer Kodifikationen auf die Bedürfnisse des Reiches, zeigen das Bestreben, die Machtverhältnisse zu stabilisieren; zahlreiche Indizien weisen auf die Notwendigkeit, das den niederen Amtsträgern überlassene Land funktionsfähig erhalten zu müssen. Die Teilung in ein Königreich Serbien, nominell regiert durch den Thronfolger Uroš, und „Romanien“ unter der Herrschaft des Zaren selbst, ist äußerer Ausdruck der Tatsache, daß der serbische Herrscher mit einer slawisch-albanisch-griechischen Kriegeradelsschicht das Land verlassen hatte, um byzantinischer Kaiser zu werden.

Literatur

Jireček: Bd 1, 211-237.
Borchgrave, Émile de: L’empereur Étienne Douchan et la péninsule balcanique au XIV-e siècle. Brüssel 1884.
Jireček, Constantin: Das Gesetzbuch des serbischen Zaren Stephan Dušan. In: Arch. slav. Philol. 22 (1900) 144-214.
Ostrogorskij, Georg: Étienne Dušan et la noblesse serbe dans la lutte contre Byzance. In: Byzantion 22 (1952/53) 151-159.
Radojčić, Nikola: Zakonik cara Stefana Dušana 1349 i 1354. Beograd 1960.

Verfasser

Frank Kämpfer (GND: 129105678)

GND: 119477505

Weiterführende Information (Deutsche Biographie): https://www.deutsche-biographie.de/pnd119477505.html


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Empfohlene Zitierweise: Frank Kämpfer, Dušan, Stefan, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 1. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1974, S. 449-451 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=770, abgerufen am: (Abrufdatum)

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