Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Zaimis, Thrasivulos
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Zaimis, Thrasivulos

Zaimis, Thrasivulos, griechischer Politiker, * Kerpini bei Kalavrita 1825, † Athen 8. 11. (27.10.) 1880, Sohn des Andreas Z. und der Eleni Dilijanni, Tochter des peloponnesischen Honoratioren Ioannis Dilijannis, deren Brüder als Politiker und Freischarenführer im griechischen Unabhängigkeitskrieg führend hervortraten; Vater des Alexandros Z.

Leben

Z. ist ein typischer Vertreter der im Unabhängigkeitskrieg geborenen, unter König Otto und der bayerischen Regentschaft herangewachsenen Honoratioren- und Offizierssöhne, die im Unterschied zu ihren Vätern Universitäten besuchten, die geistigen Leistungen, kulturellen Werte und politischen Doktrinen Westeuropas vermittelten und dem politischen Einfluß ihrer Familien günstige Voraussetzungen für ihre politische Karriere verdankten. Z. studierte in Athen und Paris Jura und vertrat 1850 zum ersten Mal seinen Heimatwahlkreis Kalavrita im Parlament; 1854/55 war er Präsident der Volksvertretung. In dem am 10. Juni (29.05.) 1859 umgebildeten Kabinett des Athanasios Miaulis (Sohn des Andreas Miaulis) übernahm er das Kultusministerium, trat aber im April 1860 zurück und schloß sich der Opposition gegen die Aushöhlung der konstitutionellen Ordnung und den offenen Bruch der Verfassung durch Otto und seine Regierungen an. Das 1860 unter massiver Wahlbeeinflussung zustandegekommene Parlament wählte ihn anstelle des vom König favorisierten Kandidaten am 22. (10.) November zu seinem Präsidenten. Otto schrieb daraufhin Neuwahlen aus, in denen alle Abgeordneten, die für Z. gestimmt hatten, bis auf einen durch administrativen Druck von der Wiederwahl ausgeschlossen wurden. Die Möglichkeit, 1862 in das Kabinett des Konstantinos Kanaris einzutreten, das in letzter Stunde das parlamentarische Regierungssystem einführen wollte, schlug Z., der diesem Versuch offenbar wenig Erfolgschancen gab, aus. Der Aufstandsregierung des Dimitrios Vulgaris gehörte er als Innenminister vom 23. (11.) Oktober 1862 bis 20. (8.) Februar 1863 an. Dem dänischen Prinzen Wilhelm, den die Nationalversammlung am 30. (18.) März 1863 zum König gewählt hatte (Georg I.), überbrachte eine aus Konstantinos Kanaris als Vorsitzendem, Z. und dem Sohn des Theodoros Grivas, Dimitrios, bestehende Delegation die offizielle Einladung auf den Thron. Der auf Antrag des Z. und des Alexandros Kumun-duros am 1. April (20. III.) 1864 von der Nationalversammlung erstmals gefaßte, für die Bewerbung wenig Begüterter um Mandate und die Unabhängigkeit der Abgeordneten förderliche Beschluß der Zahlung von Diäten führte zu Straßenkrawallen gegen den wohlhabenden Z., dem man zu Unrecht die Absicht persönlicher Bereicherung unterstellte. Am 7. Mai (25. IV.) 1864 beauftragte ihn die Nationalversammlung mit der förmlichen Übernahme der anläßlich der Thronbesteigung des Georg I. von England herausgegebenen Ionischen Inseln. In den Koalitionskabinetten des Epaminondas Delijeorjis (1. XI. [20.10.] bis 15. [3.] XI. und 25. [13.] XI.-10. [8.] XII. 1865) war Z. als Führer einer eigenständigen vierköpfigen Abgeordnetengruppe, dem Kern seiner neuen Partei, Innenminister. Am 6. Februar (25.1.) 1869 wurde Z. Ministerpräsident und Innenminister, nachdem er Georg I. die Berücksichtigung seiner Wünsche bei der Kabinettsbildung zugesagt hatte, und gewann die korrekt durchgeführten Neuwahlen, weil er die von den chaotischen Zuständen des Interregnums und den instabilen Mehrheitsverhältnissen im Parlament während der ersten Jahre Georgs I. enttäuschten Wähler zu sich herüberziehen konnte. Doch prangerte die wegen des kretischen Aufstands (1866-1869) erregte öffentliche Meinung sein Kabinett als „entehrend“ an, da Z., nach der Niederlage der Rebellen und der vollzogenen diplomatischen Weichenstellung in die Regierung berufen, keine andere Wahl hatte, als die von der Pariser Konferenz 1869 formulierten Prinzipien des Völkerrechts anzuerkennen, denen zufolge Griechenland Aktivitäten irregulärer Verbände gegen die Türkei weder begünstigen noch dulden durfte. Z. wandte seine Energie an die innere Entwicklung des Landes (erste Eisenbahnlinie Athen-Piräus) und die Rüstung (Panzerschiff „Olga“), trat aber infolge der internationalen Diskreditierung Griechenlands durch den Mord einer Räuberbande an britischen Reisenden bei Dilesi (22. [10.] IV. 1870) am 19. (7.) Juli 1870 zurück. Nach seinem Erfolg gegen den Regierungskandidaten bei der Wahl des Parlamentspräsidenten am 9. November (28.10.) 1871 mit der Regierungsbildung beauftragt, konnte er die heterogene Opposition nicht zu einer lebensfähigen Koalition zusammenführen (Rücktritt: 1.01.1872 [20.12.1871]). 1875 unterstützte er die Regierung des Alexandros Kumunduros und trat am 8. Juli (26. VI.) 1877 in das Allparteienkabinett des Konstantinos Kanaris als Justizminister ein, schied jedoch als Kritiker der zurückhaltenden Außenpolitik in der Orientkrise am 11. Januar 1878 (30.12.1877) aus. Der am 26. (14.) Januar 1880 gescheiterte Versuch einer Koalition mit Charilaos Trikupis gelang am 23. (11.) März: Z. übernahm zum letzten Mal als Justizminister ein Staatsamt.
Der gemäßigte und persönlich integre Politiker wurde in den 1870er Jahren zur Zielscheibe der Kritik, weil er als Führer einer Splittergruppe dank der Sympathie des Königs Aufträge zur Kabinettsbildung und Durchführung von Neuwahlen erhielt und zur Zuspitzung des Verfassungskonflikts beitrug.

Literatur

Karolidis, Pavlos: Sinchronos istoria ton Ellinon ke ton lipon laon tis Anatolis apo 1821 mechri 1921. Bd 6. Athen 1927.
Aspreas, Georgios K.: Politiki istoria tis neoteras Ellados. 1821-1921. 2 Bde. Athen 1964(3).
Markezinis, Spiridon V.: Politiki istoria tis neoteras Ellados. 1828-1964. Bd 1-2. Athen 1966.

Verfasser

Gunnar Hering (GND: 1078119694)


GND: 1081914521

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Empfohlene Zitierweise: Gunnar Hering, Zaimis, Thrasivulos, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 4. Hgg. Mathias Bernath / Karl Nehring. München 1981, S. 482-483 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1888, abgerufen am: (Abrufdatum)

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