Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas

Horthy von Nagybánya, Miklós
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Horthy von Nagybánya, Miklós

Horthy von Nagybánya, Miklós (Nikolaus), Reichsverweser von Ungarn 1920 bis 1944, * Kenderes (Komitat Szolnok) 18.06.1868, † Estoril (Portugal) 9.02.1957, aus einer kleinadeligen Familie.

Leben

H. wurde nach Abschluß seiner Schulausbildung k. u. k. Marineoffizier; 1909-1914 war er Flügeladjutant Kaiser Franz Josephs I. 1913 zum Linienschiffkapitän befördert, wurde er beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges zur Kriegsmarine nach Pola (Pula) einberufen. Als Kommandant des Panzerkreuzers „Novara“ siegte er in der Seeschlacht bei Otranto (1917) und spielte dann bei der Niederwerfung des Matrosenaufstandes in Cattaro (Kotor) eine ausschlaggebende Rolle. 1918 wurde H. zum Flottenkommandanten und Konteradmiral ernannt und übergab die österreichisch-ungarische Flotte bei Kriegsschluß dem „Südslawischen Komitee“.
Während in Budapest eine Revolution Graf Mihály Károlyi an die Regierung brachte (31.10.1918), die Republik ausgerufen wurde (16.11.1918), und dann die Verbitterung über den Vormarsch der Truppen der Kleinen Entente auf ungarischem Staatsgebiet den Bolschewisten die Macht zuspielte, organisierten sich auch die konservativen Kräfte. In Wien entstand das „Antibolschewistische Comité“ (ABC) unter dem Vorsitz des Grafen István Bethlen. Graf Gyula Károlyi bildete eine Regierung in Arad, die kurze Zeit darauf nach Szegedin zog. H. trat als Kriegsminister in diese Regierung ein (30.05. - 12.07.1919); sein Staatssekretär war Gyula Gömbös. Als die Regierung umgebildet wurde, nahm H. daran nicht mehr teil, sondern übernahm den Oberbefehl über die „Nationalarmee“ - Offizierskompanien, die sich unter der Führung von Oberst Pál Prónay und Major Gyula Ostenburg gesammelt hatten. Nach dem Sturz der Räterepublik und der Besetzung der Hauptstadt durch rumänische Truppen bestand die Entente auf einer Allparteienregierung. Bei diesen Verhandlungen spielte auch die Frage eine Rolle, ob H. mit seiner Armee - von der zahlreiche blutige Exzesse in Westungarn bekannt geworden waren - in die Hauptstadt eingelassen werden sollte. H. mußte eine schriftliche Erklärung abgeben, daß es zu keiner Militärdiktatur und keinen antisemitischen Ausschreitungen kommen würde. Am 16. November 1919 zog dann H. an der Spitze der Nationalarmee in Budapest ein. Gestützt auf diese und flankiert von seinen Sondertruppen ließ er sich am 1. März 1920 zum Reichsverweser wählen. Alle königlichen Rechte wurden ihm zugebilligt, außer dem Recht der Adelsverleihung und dem des obersten Patronats. Die beiden Restaurationsversuche König Karls IV. im März und im Oktober 1921 verhinderte H. unter Berufung auf die Kleine Entente; auch die Absetzung des Hauses Habsburg im November wurde mit Rücksichtnahme auf die Entente motiviert. Am 4. Juni 1920 wurde der Friedensvertrag von Trianon unterzeichnet, doch der „weiße Terror“ gab erst nach und nach einer allmählichen Konsolidierung Platz. 1922 wurde Ungarn in den Völkerbund aufgenommen und ihm eine Anleihe von 250 Millionen Goldkronen gewährt. Die dadurch eingeleitete wirtschaftliche Normalisierung führte 1927 zur Einführung der neuen Pengő-Währung.
H. stand unter dem Einfluß zweier Gruppen, die sich abwechselnd durchsetzten: dem der hohen Aristokratie und des Großkapitals, deren internationale Beziehungen die wirtschaftliche Konsolidierung im Lande bewirkten (Ära Bethlen), und dem der H. näherstehenden Gruppe von Szegedin, vornehmlich Militär, revisionistisch und antisemitisch ausgerichtet, keine Royalisten, höchstens für eine freie Königswahl eintretend. Ihr führender Mann war Gömbös. Um diese Gruppe zu stärken, gründete H. 1920 den „Heldenorden“ (vitézi szék). 1932 wurde Gömbös Ministerpräsident, und damit gewann der Kreis der „Idee von Szeged“ deutlich an Gewicht. Außenpolitisch erfolgte eine Annäherung an das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutschland in der Hoffnung, auf diese Weise die revisionistischen Ziele verwirklichen zu können. Diese Politik erschien durch die beiden Wiener Schiedssprüche (2.11.1938 und 30.08.1940) gerechtfertigt, da Ungarn Gebiete in der Slowakei, die Karpato-Ukraine und das nördliche Siebenbürgen erhielt. 1939 trat Ungarn aus dem Völkerbund aus und 1940 dem Dreimächtepakt bei. Im selben Jahr wurde ein ungarisch-jugoslawischer Freundschaftsvertrag geschlossen. Zwei Gesetzentwürfe (1933 und 1937) über die erweiterte Kompetenz des Reichsverwesers führten 1942 zur Gründung des Amtes eines Reichsverweserstellvertreters. Der Sohn H.s, István H., wurde damit betraut, aber nach seinem Tode (20.08.1942) blieb das Amt unbesetzt.
Die innenpolitische Lage radikalisierte sich zugunsten der Rechtskräfte immer mehr. 1941 trat Ungarn in den Zweiten Weltkrieg ein. Die überaus hohen Verluste der Armee und die sonstigen Verpflichtungen dem Verbündeten gegenüber veranlaßten die Konservativen, H. zu einer Kursänderung zu bewegen. So wurde im März 1942 Miklós Kállay Ministerpräsident, der eine Kapitulation vor den Westmächten, nicht aber vor der Sowjetunion, anstrebte. Da diese Bemühungen nicht unbekannt blieben, besetzten am 19. März 1944 deutsche Truppen Ungarn. Damit kamen die Rechtsradikalen voll zum Zuge. Auf Drängen der Konservativen, vor allem István Bethlens, entschloß sich H. zu einem Waffenstillstand mit Moskau, der am 11. Oktober 1944 unterschrieben und am 15. Oktober 1944 bekanntgegeben wurde. H.s jüngerer Sohn Miklós H. wurde daraufhin von der Gestapo gefangengenommen und H. selbst zur Unterzeichnung seiner Abdankung als Staatsoberhaupt zugunsten des Pfeilkreuzlerführers Ferenc Szálasi bewogen. Sein Sohn wurde in das Konzentrationslager Mauthausen, H. und seine Frau von der SS nach Schloß Hirschberg gebracht. 1945 kam H. in amerikanische Gefangenschaft und wurde im Nürnberger Prozeß als Zeuge verhört.
Dem Auslieferungsbegehren Jugoslawiens, das H. wegen brutaler Ausschreitungen ungarischer Truppen 1942 in Neusatz (Novi Sad) verfolgte, gaben die Amerikaner nicht statt. Ab 1948 lebte H. in Portugal. Seine Memoiren (Ein Leben für Ungarn) sind 1953 in Bonn erschienen. (Ungarisch: Emlékirataim. Toronto 1974).

Literatur

Macartney, Carlile Aylmer: October Fifteenth. A history of modern Hungary 1929-1945. 2 Bde. Edinburgh 1956.
(Prónay, Pál): A határban a Halál kaszál... Fejezetek P. P. feljegyzéseiből. Hrsg. Ágnes Szabó u. Ervin Pamlényi. Budapest 1963.
Allianz Hitler-Horthy-Mussolini. Dokumente zur ungarischen Außenpolitik (1933-1944). Hrsg. Magda Ádám (u. a.). Budapest 1966.
Iratok az ellenforradalom történetéhez 1919-1945. Bd 1-4. Hrsg. Dezső Nemes. Budapest 1956-1967. A magyar ellenforradalmi rendszer külpolitikája 1927. jan. 1-1931. aug. 24. Hrsg. Elek Karsai. Budapest 1967.
(Zadravecz, István:) Páter Zadravecz titkos naplója. Hrsg. György Borsányi. Budapest 1967.
A Wilhelmstrasse és Magyarország. Német diplomáciai iratok Magyarországról 1933-1944. Hrsg. György Ránki [u. a.] Budapest 1968.
Horthy Miklós titkos iratai. Hrsg. Miklós Szinai u. László Szűcs. Budapest 1972(4). (Englische Ausgabe: The confidential papers of Admiral Horthy. Budapest 1965.)


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Empfohlene Zitierweise: Ilona Reinert-Tárnoky, Horthy von Nagybánya, Miklós, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 2. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1976, S. 183-185 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=976, abgerufen am: (Abrufdatum)

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