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Jókai, Mór (Taufname Móricz), ungarischer Schriftsteller und Politiker, * Komorn 18.02.1825, † Budapest 5.05.1904, Sohn des Advokaten József Jókay von Ásva und der Mária Pulay, verheiratet ab 1848 mit der Schauspielerin Róza Laborfalvi.
Leben
J. besuchte das Gymnasium in seiner Heimatstadt; zwischenzeitlich lernte er 1835 bis 1837 deutsch in Preßburg. 1841-1842 war er Schüler im reformierten Kollegium von Pápa, wo er Károly Kerkápoly, Sándor Kozma und Sándor Petőfi kennenlernte. 1842 bis 1844 studierte er Rechtswissenschaften in Kecskemét. Nach zweijähriger Juratenzeit in Komorn und Pest erwarb er das Advokatendiplom, doch nach dem Erfolg seines ersten Romans „Hétköznapok“ (Wochentage), der auch 1846 erschienen war, beschloß er, sich ganz dem Schriftstellerberuf zu widmen. Seine Erzählungen im Stile der französischen Romantik erschienen in rascher Folge. Im Frühjahr 1846 gehörte J. zu den Gründern der „Gesellschaft der Zehn“ (Tizek Társasága), die nach den Plänen von Petőfi zum Führungsorgan der radikalen Intelligenz, des „Jungen Ungarn“, werden sollte. Doch dem Ansuchen nach der Herausgabe einer Zeitschrift wurde nicht stattgegeben, worauf J. im Sommer 1847 die Redaktion der literarischen Zeitschrift „Életképek“ (Lebensbilder) übernahm und diese nach den Vorstellungen seiner jungen Freunde gestaltete. Seine fortschrittliche Gesinnung bekundete J. auch damit, daß er das ursprüngliche „y“ am Ende seines Namens durch ein „i“ ersetzte. Im März 1848 war J. gemeinsam mit Petőfi einer der Anführer der Pester Jugend. Bis Anfang 1849 stand er ohne Kompromisse auf seiten der Revolution, folgte der Regierung und dem Reichstag nach Debreczin und war Redakteur des Amtsblatts „Közlöny“ (Mitteilungsblatt). In Debreczin schloß er sich vorübergehend der „Friedenspartei“ (Békepárt) an und redigierte deren Organ „Esti Lapok“ (Abendblätter). Nach den Frühjahrssiegen befürwortete er wieder die Kossuthsche Politik und spornte zum Kampf gegen die des Thrones verlustig erklärten Habsburger an. Nach dem Scheitern der Revolution hielt er sich eine Zeitlang im Bükk-Gebirge versteckt, bis er Anfang 1850 mit Hilfe eines gefälschten Ausweises nach Pest zurückkehren konnte. J. begann wieder zu schreiben und fand seinen eigenen romantischen Stil. Seine patriotisch gefärbten Romane machten ihn zum populärsten ungarischen Schriftsteller seiner Zeit. Trotzdem erhielt er nur schwer die Lizenz zur Herausgabe einer Zeitung. Die humoristischen Zeitschriften „Nagy Tükör“ (Großer Spiegel, 1856) und „Üstökös“ (Komet, 1858-1880), in denen er sich als vorzüglicher Vertreter der politischen Satire auswies, markieren den Neubeginn seiner verlegerischen Tätigkeit. Seine Wahl zum Abgeordneten der „Beschlußpartei“ im Frühjahr 1861 bedeutete seinen Wiedereintritt in das politische Leben. 1862 gründete J. die Zeitung „Magyar Sajtó“ (Ungarische Presse), 1863 die Zeitung „A Hon“ (Das Vaterland), die zum Organ des „Linken Zentrums“ von Kálmán Tisza wurde und bis 1882 erschien. 1865-1896 vertrat J. wechselnde Wahlbezirke im Parlament. Das Jahrzehnt nach dem Ausgleich bedeutete den Höhepunkt in J.s dichterischem und publizistischem Schaffen. Seine Romane aus dieser Zeit beschäftigen sich meist mit der heroisch empfundenen jüngsten Vergangenheit oder der beginnenden Industrialisierung. In seiner Publizistik der liberalen Tradition der mitteladeligen Schichten verbunden, forderte J. Verständnis für die Nationalitäten und sprach sich für eine selbständige ungarische Notenbank und ein eigenes ungarisches Zollgebiet aus. Auch die Verminderung der kulturpolitischen Macht der katholischen Kirche gehörte zu seinen Anliegen. Aus Angst vor dem zaristischen Rußland und dem Panslawismus war er ein unbedingter Anhänger der Habsburgermonarchie. Deshalb befürwortete er 1875 eifrig die Fusion, den Zusammenschluß der „Deákpartei“ mit dem „Linken Zentrum“. In seinen politischen Hoffnungen enttäuscht, beteiligte sich J. seit den achtziger Jahren kaum mehr am politischen Leben; auch die Redaktion seiner Zeitungen gab er aus der Hand, obwohl er nominell bis zum Tode Chefredakteur der 1882 aus der Zeitung „A Hon“ hervorgegangenen „Nemzet“ (Nation) und nach deren Einstellung 1899 der Zeitung „Magyar Nemzet“ (Ungarische Nation) blieb. J. war Mitglied der Akademie der Wissenschaften, der „Kisfaludy-Gesellschaft“ und der „Petöfi-Gesellschaft“. 1895 nahm er am Brüsseler Kongreß der Interparlamentarischen Union teil, wo er eine bemerkenswerte pazifistische Rede hielt. Als Präsident des „Ungarischen Friedensvereins“ (Magyar Békeegyesület) richtete er einen Aufruf an die Geschichtslehrer der Welt, in dem er sie vor jeglichem Chauvinismus warnte. Mit unverminderter Energie arbeitete J. bis zu seinem Tode schriftstellerisch. Er hinterließ ein Werk von etwa 200 Bänden und ist bis heute - mit unzähligen Übersetzungen in viele Sprachen - der meistgelesene ungarische Autor. Seine zwischen Romantik und Realismus beheimateten Romane sind nach ihrer Themenwahl und ihren künstlerischen Mitteln, besonders ihrer Sprache, genuin ungarisch und übten auf die ungarische Prosa einen bestimmenden Einfluß aus. Es ist ihnen zu verdanken, daß der Roman als Literaturgattung endgültig Eingang in die ungarische Literatur gefunden hat. Zeit- und gesellschaftskritisch bietet dagegen das J.sche Werk nicht viel: Seine politische Schwäche ist, daß es die nationalen Illusionen eher hegte, anstatt abbaute. Von den zahlreichen Auflagen der Werke J.s seien nur die in Budapest 1894-1898 (100 Bände), 1925-1930 (100 Bände) sowie 1962 ff. herausgegebenen Gesamtauflagen erwähnt. Der größte Teil von J.s Reden, seine Publizistik sowie seine gesamte Korrespondenz warten noch auf eine Edition.
Literatur
Mikszáth, Kálmán: Jókai Mór élete és kora. 2 Bde. Budapest 1907.
Zsigmond, Ferenc: Jókai Mór élete és művei. Budapest 1925.
Sőtér, István: Jókai. Budapest 1941.
M. Kondor, Viktória: Megjegyzések Jókai Mór politikai szerepéhez. In: Tört. Szle 1 (1958) 125-135.
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